Masterplan für die europäische Wirtschaft – Nicht Insolvenzverschleppung fördern, sondern Krisenresilienz stärken!

Durch die Corona-Krise werden in der Wirtschaft die Karten neu gemischt. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss die europäische Wirtschaft sich in einer einzigartigen Digitalökonomie zusammenfinden.

In der Digitalökonomie finden sich genauso große Unternehmen wie Einzelselbständige. Selbst einfache Reinigungsarbeiten können zum Beispiel über Helpling.de durchgeführt werden. Die Terminplanung, Kundensuche, Haftpflichtversicherung und Rechnungstellung übernimmt das Portal gegen eine Gebühr. Solche Plattformen bieten vielen Menschen die Möglichkeit, mit geringem unternehmerischem Know How selbstbestimmt zu arbeiten. Die Arbeitszeiten sind flexibel auf die einzelnen Lebenskonzepte anpassbar. Die Schattenseiten sind das Fehlen von einer Rentenabsicherung. Bei Krankheit gibt es keine Gehaltsfortzahlung. Zudem gibt es für den Kunden einen sehr transparenten Preiswettbewerb. Je nach Wettbewerbslage kann das zu entsprechend niedrigen Gehältern führen.

Die Corona-Krise betrifft alle Unternehmer gleich. Denn niemand hat mit einem Shutdown gerechnet, welcher bis zu hundert Prozent Umsatzausfall zur Folge hat. Doch nicht nur der kurzfristige Ausfall von Einnahmen muss kompensiert werden. Das neue Risiko, dass jederzeit ein Herunterfahren der Wirtschaft möglich ist, verändert die Risikoeinschätzung von Banken und Kapitalgebern. Aus meiner zwanzigjährigen Tätigkeit als Gutachter beim Start2grow IT-Wettbewerb weiß ich, dass viele Startups versuchen, ganz auf Fremdkapital zu verzichten. Ein Lockdown in der Markteinführungsphase ist jedoch in keinem Worst Case Szenario berücksichtigt. Es ist davon auszugehen, dass ohne das richtige Anreizsystem durch die aktuellen Sofortmaßnahmen nur Insolvenzen verschleppt werden. Wenn Unternehmen innerhalb weniger Monate ihr über viele Jahre erarbeitetes Kapital aufbrauchen, weil die Umsätze wegbrechen, sendet das ein fatales Signal.

Andererseits bietet die Pandemie eine einmalige Chance einer europäischen digitalen Antwort auf die zentrale Steuerung und Überwachung der chinesischen Wirtschaft.

Im globalen Wettbewerb muss sich Europa neu positionieren. Südkorea oder Estland sind in der Digitalisierung besonders erfolgreich, weil sie einen Konsens in ihrer jeweiligen Gesellschaft hergestellt haben, bevor sie so akzeptierte digitale Gesamtkonzepte einführten. Wer aber eins zu eins die in diesen Ländern erfolgreichen Systeme auf Deutschland oder auch Europa übertragen will, muss scheitern.

Europas Stärke ist seine Vielfalt. Eine Gemeinsamkeit ist das Bedürfnis nach einem starken Datenschutz und dem Erhalt von Bürgerrechten. Es geht entsprechend darum, einen Mindeststandard zu definieren, um vordigitale, demokratische Errungenschaften in einer Algorithmen gesteuerten digitalen Gesellschaft zu erhalten. Vielfalt bei gleichzeitiger Berücksichtigung eines eigenen europäischen Konzepts kann damit sichergestellt werden, wenn in einem Opensource-Standard viele Entwickler ihre Ideen einbringen können. Ein kleinster gemeinsamer Nenner könnte die von mir vorgestellte WAN Anonymität sein.

Wie das funktioniert, entnehmen Sie bitte dem folgenden Video:

In der analogen Welt besitzt der Bürger eine in Form eines Schlüssels greifbare Verfügungsgewalt über seine Wohnung. Entsprechend muss er mittels eines in seinem Besitz befindlichen Stücks Hardware über den Zugang zu seiner digitalen Welt mit seinen Daten verfügen können.

Wie das funktioniert, entnehmen Sie bitte dem folgenden Video:

Die meisten Bürger haben ein diffuses Unwohlsein bezüglich der Digitalisierung. Das reicht jedoch nicht aus, um sie dazu zu bewegen, sich um ihre Internetsicherheit zu kümmern, wenn sie dabei auf ihre Bequemlichkeit verzichten müssen. Der Erfolg von Amazon ist neben der schnellen Logistik darauf begründet, dass Daten zum Bezahlen und Informationen zu den gekauften Produkten bereits hinterlegt sind. Der Mehrwert eines europäischen Digitalisierungskonzepts muss also den Mehrwert bisheriger nicht europäischer Player überwiegen.

Einen ersten Ansatz hierzu stelle ich im Video vor:

Dieses Konzept muss von einem politischen Ordnungsrahmen ergänzt, technische Standards über eine Demokratie by Design Gesetzgebung legitimiert werden.

Der Neustart der Wirtschaft nach dem Lockdown bietet den Unternehmen eine einmalige Chance, die vorhandenen Konzepte zu überdenken. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sie sich schnell in einer europäischen Digitalökonomie zusammenschließen. Für viele Unternehmen explodieren die Marketingkosten, die zunehmend im Onlinebereich ausgegeben werden. Nicht europäische Marktzugangsanbieter bieten verschiedene Formen von Anzeigen zu überhöhten Preisen an, da sie ihre Monopolstellung ausnutzen. Wer fast 100 Prozent seiner Kunden über einen einzigen Marktzugangsanbieter erhält, der wird sich nicht trauen, diesen ohne handfeste Argumente durch einen Wechsel zu verärgert.

Durch das oben vorgestellte Bürgerrechts-Konzept ist es möglich, eine eigene Digitalökonomie zu schaffen, die zu den vorhandenen Playern Schnittstellen bietet, gleichzeitig einen direkten Marktzugang zu den Kunden zur Verfügung stellt.

Es bedarf weitere erheblicher Anreize für die Wirtschaft, um diese Digitalökonomie mit Leben zu füllen.

Durch die Pandemie ist für jede Geschäftstätigkeit ein wesentlicher Anreiz das kalkulierbare Risiko geworden. Innerhalb eines europäischen Masterplans muss deshalb so etwas wie eine Solidargemeinschaft eingeführt werden, in der ein Teil der auf den zugehörigen Plattformen generierten Wertschöpfung für weitere mögliche Krisen angespart wird. Sollte zum Beispiel bei einem weiteren Lockdown noch nicht genügend Kapital eingezahlt sein, um die auf Basis der in der Digitalökonomie erzielten Umsätze, Ausfälle zu decken, müsste hierfür eine Haftung der EU hinterlegt werden.

Die Unternehmen können es sich gerade in der Pandemie nicht leisten, ihre Preise zur Refinanzierung eines entsprechenden Solidarbeitrags zu erhöhen. Doch die Teilnahme an dieser europäischen Digitalökonomie ermöglicht eine wesentliche Reduzierung der Marketingkosten, wenn der Anteil an der Wertschöpfung leistungsgerecht verteilt und auf Monopol getriebene Zugangszölle verzichtet wird.

Geht man von der analogen Welt aus, bietet sich auch digital ein regionales Wertschöpfungskonzept an. Wertschöpfung, welche regional erwirtschaftet wird, muss denjenigen Kommunen Einnahmen bringen, in denen die Unternehmen Wertschöpfung generieren. Mit diesem von mir vorgeschlagenen Wertschöpfungskonzept drängt man mittelfristig Player vom europäischen Markt, die sich global so aufstellen, dass sie möglichst überhaupt keine Steuern zahlen müssen.

Im Gegenzug wird von den Kommunen eine Wirtschaftsförderung gegen Provisionsbeteiligung erwartet, die weit über das zur Verfügung stellen preiswerter Gewerbeflächen hinausgehen muss. Über ein digitales Empfehlungssystem zwischen den Kommunen muss es auch kleinen Unternehmen möglich sein, sich schnell mit ihren Ideen mit exponentiellen Wachstum in Europa durchzusetzen. Durch hier eingebaute Mechanismen wird der Wettbewerb gestärkt und die Qualität der Produkte durch ein ständiges Feedback verbessert. Das Wachstum in einem solchen System ist zwar langsamer als das ungeregelte Wachstum der Global Player. Diese jedoch haben damit zu kämpfen, dass dem exponentiellen Wachstum fast gleich große exponentielle Risiken entgegenstehen. Man denke nur an die Fake News, deren effektive Beseitigung im Geschäftsmodell von Facebook nicht vorgesehen ist. Bei Startups, die sich für dieses Digitalökonomiekonzept entscheiden, sollte darüber nachgedacht werden, wie eine rein auf den Verkauf an nicht europäische Player ausgerichtete Exit-Strategie verhindert werden kann.

Diese europäische Digitalökonomie lässt sich weltweit als demokratische Antwort auf die chinesische Seidenstraße ausrollen.

Was dann noch fehlt, ist ein für die europäische Digitalökonomie spezieller Ordnungsrahmen für eine soziale Marktwirtschaft. Neben der Übertragung bewährter Konzepte der Sozialversicherung auf die in den Plattformen Arbeitenden Einzelselbständigen, sind auch neue Instrumente wie ein bedingungsgebundenes Digital-Bürgergeld denkbar.

Totalversagen? Ein Blick aus dem Jahr 2120 auf die Digitalstrategie der Ära Merkel

Die deutsche Regierung hat für ihr aktuelles Handeln und die Krisenkommunikation in der Pandemie von den Bürgern gute Noten erhalten. Wir befinden uns allerdings erst am Anfang einer Entwicklung, deren Ausgang schwer vorherzusehen ist. Die Politik fährt auf Sicht. Genau das ist das Problem. Als Zukunftsforscher gehe ich von einer wahrscheinlichen Entwicklung aus und prüfe, ob die Politik sich hierauf vorbereitet hat. Es verdichten sich die Hinweise, dass zukünftige Generationen die Ära Merkel lange nicht so positiv sehen werden wie wir. Wahrscheinlich werden dieses Jahr, beschleunigt durch die Corona-Krise, endgültig die falschen Weichen mit dramatischen Auswirkungen auf die Zukunft gestellt. Gibt es schon aus heutiger Sicht Beweise, dass eine solche Entwicklung hätte verhindert werden können? Gibt es möglicherweise sogar ein fahrlässiges Ignorieren von Fakten und hätte die Bundesregierung entsprechend ihrem Wählerauftrag anders handeln müssen?

Die Gesellschaft der Zukunft ist weitgehend digitalisiert. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass solche Länder ihre Stellung in der Welt erheblich ausbauen werden, welche für sich eine klare und zur gesellschaftlichen Entwicklung des jeweiligen Staates passende Digitalisierungsstrategie entwickelt und diese mit proaktivem Handeln umgesetzt haben. Das sind vor allem China und Südkorea. Deutschland hingegen fährt nicht nur in der Corona-Krise auf Sicht. Der ständige Konsenszwang mit Lobbyisten-Interessen hat den Politikertyp aussterben lassen, der eigene Visionen konsequent umsetzt. Die Merkel-Politik agiert nicht, sie reagiert nur auf aktuelle Ereignisse. So hat es wenig mit fehlender Sachkompetenz zu tun, wenn die Bundesregierung keine klare Digitalstrategie verfolgt. Zulange hat sie sich, zugegeben sehr erfolgreich, als Mittler zwischen globalen Wirtschafts- und Staatsinteressen verstanden. Sie hat die Politik der ruhigen Hand etabliert. Dabei hat sie eine Entwicklung toleriert, in der jeder Politiker den nächsten Shitstorm fürchten muss und sich deshalb möglichst gar nicht erst bewegt. Vor diesem Hintergrund geht es der deutschen Regierung nicht mehr darum, Verantwortung zu übernehmen, sondern Verantwortung möglichst zu delegieren.
Selbst aus dem Blickwinkel des Jahres 2120 wird sie der Gesellschaft einen Bärendienst erwiesen haben. Es widerspricht der Erwartung zukünftiger Generationen, wenn sich der Staat gerade da zurückzieht, wo seine Präsenz für die Allgemeinheit wichtig wäre. Wichtige Aufgaben werden langfristig externen Systemen und Partnern überlassen, bei denen totalitäre Tendenzen in der Zukunft nicht auszuschließen sind. Eine dem Grundgesetz entsprechende Digitalstrategie muss dem Bürger so viele Freiheiten wie möglich einräumen. Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt ….“(Artikel 2 Grundgesetz(1)). Der Staat hat sich auf die für die Allgemeinheit relevanten Aufgaben zu konzentrieren. Struktur relevante Aufgaben kann er an die Wirtschaft delegieren, muss aber zu jedem Zeitpunkt Herr des Verfahrens sein. Unsere Realität sieht anders aus und lässt für die Zukunft nichts Gutes erahnen:

  • Digital werden die verfassungsgemäßen Rechte des Bürgers zunehmend delegiert und ausgehebelt. Bürgerfreundliche Digitalisierung wird bei uns in der Regel mit Datenschutz gleichgesetzt. Datenschutz ist entstanden, weil der Gesetzgeber ohne digitales Gesamtkonzept auf das Entstehen einer neuen Art von Rechtsverstößen reagiert hat. Der Schutz von Daten hat wenig mit Bürgerrechten zu tun. Die DSGVO regelt die rechtskonforme Verwertung von Bürgerdaten durch Unternehmen. Anders ausgedrückt, wenn ein Unternehmen eine erhebliche Begehrlichkeit beim Bürger weckt, darf es im Gegenzug die Einschränkung seiner Bürgerrechte vereinbaren. Diese Einschränkung ist sogar wie bei den früheren Sklaven vererbbar, wenn möglicherweise in Zukunft noch die Kinder eines Bürgers zum Beispiel wegen seiner öffentlich bekannten schizophrenen Erbanlage diskriminiert werden. Der Begriff der Freiwilligkeit wurde so im Interesse der Datenverwerter pervertiert.
    Eine echte Privatsphäre setzt eine umfassende Verfügungsberechtigung über die eigenen Daten voraus. So, wie jeder Wohnungsmieter die Verfügungsgewalt über seine Wohnung hat, indem er den Schlüssel besitzt, muss er auch den digitalen Schlüssel zu seinen Daten besitzen. Wie in der physikalischen Welt muss er damit seine Unterlagen vertraulich halten, den Zugriff Dritter bestimmen und auch dem Zugriff Dritter wieder entziehen können. Da, wo sinnvoll, muss digitales Bürgerrecht weitergehen als analoges. Bürger sollten Unterlagen, die sie an Dritte weitergegeben habe, aus der Ferne löschen oder ihnen jede Möglichkeit entziehen können, einen Personenbezug herzustellen.
  • Aus Sicht zukünftiger Generationen völlig unverständlich ist, warum der Staat im Sinne der Allgemeinheit nicht eine digitale Infrastruktur verordnet hat, um die vordigitalen gesellschaftlichen Errungenschaften zu schützen. So wie im Versorgungsauftrag Stadtwerke lokal für unser Wasser zuständig sind, muss es auch dezentrale Betreiber Bürgerrechte erhaltender Infrastrukturen geben. Stattdessen verschenkt der Staat wesentliche deutsche Wertschöpfung an ausländische Global Player. Aktueller Höhepunkt der fehlenden deutschen Digitalisierungsstrategie ist die Entwicklung der Corona-Tracking-App. Ohne Demokratie erhaltende Vorgaben wird der Wissenschaft und Wirtschaft der Auftrag erteilt, punktgenau Infektionsherde erkennen und eindämmen zu können. Da ist es absolut bemerkenswert, wenn sich in unserem Bürger feindlichen Umfeld 300 Wissenschaftler finden, um eine dezentrale Lösung der App zu entwickeln. En dezentraler Ansatz ist aus Bürgersicht der einzig richtige. Es wäre Aufgabe der Bundesregierung gewesen, frühzeitig den Aufbau einer digitalen Bürgerrechts-Infrastruktur in den politischen Diskussionsprozess zu bringen. Denn es braucht Zeit, ein breites Verständnis für eine Demokratie erhaltende Infrastruktur zu schaffen. Ad Hock Maßnahmen in Krisenzeiten lassen diese tiefgreifende Reflektion nicht zu. So ist es unmittelbar von der Regierung Merkel zu verantworten, wenn die Corona-Tracking-App an der fehlenden gesellschaftlichen Gesamtstrategie scheitert. Die notwendige 60% Bürgerbeteiligung wird nicht erreicht werden. Es ist konsequent, dass die 300 Dezentralisierungsbefürworter ihre Arbeit niedergelegt haben. So ist es auch unwahrscheinlich, dass ausgerechnet die Urgesteine zentraler IT-Entwicklung Deutsche Telekom und SAP aus der verhinderten zentralisierten Lösung ein Bürgerrecht freundliches Ergebnis erarbeiten werden. Dies ist ein weiterer Hinweis dafür, dass der Staat sich auf dem Rücken der Bürger seiner Verantwortung entzieht. Zukünftige Generationen werden hierin möglicherweise ein grob fahrlässiges Handeln der Regierung sehen. Die Entschuldigung, die Deutsche Telekom und SAP könnten mit Google und Apple auf Augenhöhe eine Umsetzung aushandeln, bedeutet übersetzt, alle 4 Player haben auf Grund ihrer Firmenentwicklung ein Interesse, der wie auch immer geartet dezentralen Technologie, zentrale, skalierbare und globale Geschäftsmodelle zu hinterlegen. Der Bürger wird hier als Konsument, der „freiwillig“ auf seine Bürgerrechte verzichtet, sicher Berücksichtigung finden.

Die Geschichtsschreibung des Jahres 2120 sieht Deutschland zunehmend handlungsunfähig, weil bereits 2020 die deutschen Abhängigkeiten von China und den globalen Datenverwertern zu groß waren. Tatsächlich sind Google, Facebook und weitere in ihren Konzepten gar nicht so weit von China entfernt. Allen gemeinsam ist das Interesse an einer möglichst vollständigen Beherrschung der weltweiten Märkte und deren Bürger. Wäre heute bereits eine akzeptierte Bürgerrechts-Infrastruktur vorhanden, hätten möglicherweise Billionen Euro an Schaden ohne anhaltenden Lockdown verhindert und viele Menschenleben gerettet werden können. Während sich derzeit das Interesse der Gesundheitswirtschaft zur Bekämpfung der Pandemie auf die Identifizierung und Analyse der Kranken konzentriert, sollte ein Bürger zentriertes Konzept den gesunden Menschen in den Mittelpunkt stellen. Nicht der potentiell Infizierte, sondern der Gesunde hat ein Interesse an diesem System. Aus Sicht eines Gesunden, der nicht angesteckt werden will – Gesunde sind zum Beginn der Pandemie die Mehrheit – macht es keinen Sinn, sich darauf verlassen zu müssen, dass sich ein Infizierter die App freiwillig installiert hat und freiwillig seine Infektion meldet. Nur eine kostenlose Bürgerrechts-Infrastruktur, die im Pandemiefall von jedem Bürger eingesetzt werden kann, gewährleistet den Schutz der Gesunden. Er wird die Möglichkeiten der Bürgerrechts-Infrastruktur benutzen, wenn die hierdurch entstehende Einschränkung der Bürgerrechte wesentlich geringer ausfallen würde, als bei den alternativ einzuhaltenden Maßnahmen.

Überlässt man die Erarbeitung Demokratie relevanter Infrastrukturen den Unternehmen, so werden in deren Geschäftsmodellen die Prioritäten aus Bürgersicht eher zufällig Berücksichtigung finden. Mit Kranken lässt sich mehr Geld verdienen, als mit Gesunden. Ein Bürger freundliches Pandemievermeidungskonzept hat andere Schwerpunkte:

    1. Die Vermeidung der Ansteckung muss an erster Stelle stehen. Es sollte gesellschaftlich akzeptabel sein, wenn ein Bürger auf seinem Device ein lautes Piepsen einstellt, welches ausgelöst wird, sobald die Mindestdistanz zwischen zwei Menschen unterschritten wird. Dafür markiert jeder Nutzer die zu seiner Kontaktgruppe (Familie, Mitbewohner) gehörenden Devices als nicht Alarm relevant. Alle im Raum Befindlichen werden durch das laute Piepsen über die unerwünschte Annäherung informiert und können über Blicke oder auch verbale Äußerungen eine soziale Kontrolle ausüben. Ein großes Problem stellt bei uns zum Beispiel das Einhalten des Mindestabstands im Supermarkt dar. Spätestens nach den ersten Pieps-Konzerten werden Filialleiter schnell Gesundheit erhaltende Konzepte erstellen. Ohne Begegnungsverbot in den Regalgängen bleibt der Mindestabstand bei uns Theorie.

    2. Ist der gesunde Bürger der Meinung, durch eine unerlaubte Annäherung (zum Beispiel bei Anhusten) infiziert worden zu sein, hat er die Möglichkeit, zur gespeicherten WAN anonyme IP-Adresse des Gefährders einen Kommentar zu speichern. In einem Rechtsstaat muss es genau wie bei einem Autounfall zumindest den theoretischen Anspruch auf Schadensersatz wegen Fahrlässigkeit geben.
    Erläuterung von WAN Anonymität im Video:

    3. Sollte eine Infizierung des Bürgers festgestellt werden, werden wie bereits geplant, alle Betroffenen anonym informiert. Zusätzlich können dezentral gespeicherte mit Markern versehenen IP-Adressen an das Gesundheitsamt weitergegeben werden. Über die IP-Adresse lässt sich die zugehörige Trust-Station finden. Grundsätzlich werden wie bei dem geplanten System anonyme Push-Nachrichten an alle, die sich dem Infizierten genähert haben, geschickt. Im Gegensatz hierzu kann aber für jeden Betroffenen über die jeweilige Truststation die Personalisierung hergestellt werden. Aus der Perspektive eines Gesunden ist es durchaus angebracht, dass dieser den ihn fahrlässig Infizierenden haftbar machen kann. Denkbar für eine nahe Zukunft wäre, über das System sogar automatische Bußgelder zu generieren, bei denen über eine künstliche Intelligenz die Kommentare der „Angegriffenen“ Berücksichtigung finden. Die Bezahlung würde über ein anonymes Konto erfolgen. Erst wenn der Beschuldigte Widerspruch erheben würde, würde es zur Personalisierung der betroffenen Parteien mittels der Trust-Station für einen klärenden Rechtsstreit kommen.
    Erläuterung zur Funktion einer Trust-Station im Video:

Die Wissenschaft benötigt viele Informationen. Bei einem Bürgerrechtskonzept darf das aber nur ein Aspekt sein. Da die Einhaltung der Distanz bei uns nicht kontrolliert wird, stelle ich in der Raum, dass ein Ansatz, sich de facto auf die potentiellen Kunden von Medizin und Beatmungsgeräten zu konzentrieren, die Pandemie wesentlich langsamer eindämmt, als ein Ansatz, der eine Infizierung Gesunder weitgehend unterbindet. Es ist unbedingt zu verhindert, dass eine App ein weiteres Einfallstor für Geschäftsmodelle zur Datenverwertung öffnet, die bisher keiner vorhersehen kann. Ein Konzept, in dem wieder auf den „freiwilligen“ Austausch von Bürgerrechten gegen Daten gesetzt wird, ermöglicht rechtlich fast alles, bis hin zu einem weitgehenden Bürgerrechtsverzicht.

Hat die Bundesregierung Kenntnis über entsprechende Alternativen gehabt? Hat sie sich damit beschäftigt oder hat die Merkel Regierung durch Aufgabe der ihr vom Bürger übertragenen Obhutspflichten sogar grob fahrlässig gehandelt? Es ist sogar möglich, dass man im Jahr 2120 die fehlende Digitalstrategie und die daraus resultierenden falschen Entscheidungen der Bundesregierung als entscheidenden Fehler sehen wird, der zur Auflösung der deutschen und in Folge aller europäischen Demokratien geführt hat. Mir liegen starke Indizien vor, dass die Bundesregierung nicht an einer bürgerfreundlichen Digitalstrategie interessiert war, ja diese sogar aktiv unterbunden hat.

Seit 1999 beschäftige ich mich mit der Idee, ein die analoge Gesellschaft abbildendes Digitalkonzept aufzusetzen. 1999 zeigte sich auch der Staat einem solchen Konzept noch aufgeschlossen, siehe Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Erstmals in einer Patentanmeldung mit Priorität aus dem Jahr 2001 schlage ich vor, dem Bürger eine in seinem Besitz befindliche Infrastruktur für das Internet zu Verfügung zu stellen.

In hunderten von Briefen an die politisch Verantwortlichen habe ich dafür geworben, eine solche Infrastruktur aufzubauen. Meinen aktuellen Brandbrief an die EU-Kommissionspräsidentin Dr. von der Leyen bildet hier den vorläufigen Höhepunkt.
Schon 2014 habe ich die Mitglieder des Bundestags aus dem Ausschuss „Digitale Agenda“ unter der Überschrift „Gesamtkonzept zur Digitalen Gesellschaft, Trusted WEB 4.0“ angeschrieben. Mit Schreiben vom 11.05.2015 und 27.7.2015 habe ich den Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière gebeten, sich für die Umsetzung einer dezentralisierten und anonymisierten IT Infrastruktur für alle stark zu machen. Ein ähnliches Schreiben hatte ich bereits am 03.09.2014 an Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel geschickt. Auf keines dieser Schreiben habe ich eine Antwort erhalten. Ein Mitarbeiter des Bundeswirtschaftsministeriums darauf angesprochen, antwortete mir verwundert: „Wir sind das Wirtschaftsministerium. Was haben wir mit dem Bürger zu tun?“ Ich hoffe, durch Corona hat die Wirtschaft gelernt, dass es ohne den Bürger nicht geht. Ähnliche Antworten haben ich aus der Verwaltung erhalten: „Wir optimieren IT-Verwaltungsprozesse in Behörden, was haben wir mit dem Bürger zu tun?“

Insgesamt 3 Bücher habe ich beim führenden Wissenschaftsverlag Springer zu diesem Thema veröffentlicht. Eine öffentliche Diskussion hierüber wurde von der Datenverwerter getriebenen IT nicht für nötig befunden. Immerhin hat die Bibliothek des Deutschen Bundestages die Bücher aufgenommen und über die Aufnahme in einem Literaturtipp jeden Bundestagsabgeordneten darüber auch informiert. Mehr kann man nicht tun, um die Demokratie zu erhalten.

Die Indizien reichen aus, um Zweifel daran zu äußern, dass entgegen anderslautender Beteuerungen von der Bundesregierung Bürgerrechte in der digitalen Gesellschaft gewünscht sind. Wenn wir aber nicht das Konzept von China kopieren wollen, so sollte seit Beginn der Pandemie klargeworden sein, dass wir den Wettbewerb um eine funktionierende digitale Gesellschaft verlieren werden, wenn wir nicht die Stärkung der Bürgerrechte in den Mittelpunkt stellen.

Die Mehrheit der Bürger hat in der Krise gezeigt, dass sie in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen, wenn man sie ihr lässt. Digitale Instrumente zur Authentifizierung, Verfügungsberechtigung und Personalisierung bei den eigenen Daten gehören in den Besitz des einzelnen Bürgers. Bei jedem zentralen System muss man dem Betreiber vertrauen. Zentrale Systeme können kompromittiert oder auch ganz von Dritten übernommen werden. Sie entziehen sich meist dem Zugriff des Staates. Steuern werden nicht gezahlt, eine Rechtsverfolgung ist nicht möglich. Doch damit nicht genug. Der deutschen Wirtschaft wird hierdurch auch noch die Wertschöpfung entzogen, welche jetzt in der Krise dringend benötigt würde.

So wird die FDP zur Volkspartei!

Auszug aus meinem in 2018 erscheinenden neuen TRUSTED WEB 4.0 Buch:.
Ich beschäftige mich als einer von ganz Wenigen mit allen Seiten der digitalen Gesellschaft. Als Unternehmer habe ich die Wirtschaft im Blick, als Bürger die Freiheitsrechte und als Visionär eine Zukunft, in der es allen besser geht.
Sieht man sich die Parteien im Bundestagswahlkampf 2017 an, so will die CDU, dass alles beim Alten bleibt, die SPD und die Linke mehr Gerechtigkeit und Chancengleichheit, die Grünen eine bessere Umwelt und die FDP Freiheit und „Anders denken“.

Die CDU steht für ein „Weiter so“ und mag damit der Mehrheit der Wähler entsprechen, ist aber bei den auf uns zukommenden Veränderungen im Rahmen der Digitalisierung völlig weltfremd und hat so auch in der Vergangenheit gehandelt. Bleibt sie weiter bestimmend an der Regierung, werden wir unweigerlich in einer totalitären digitalen Gesellschaft enden.

Die SPD und die Linke wollen mehr Gerechtigkeit für die Schwachen der Gesellschaft. Sie setzen auf einen behütenden starken Staat. Sie nehmen nicht wahr, dass Staaten heute im Wettbewerb um zunehmend international aufgestellte Unternehmen stehen und mit ihren Wohlfahrtskonzepten in einer Zukunft, in der die Arbeitswelt sich ständig verändert und flexibilisiert, Menschen zu abhängigen, überwachten Almosenempfängern machen, anstatt sie auf eine selbstbestimmte Zukunft vorzubereiten.

Die Grünen werben weiter mit ihrem Kernthema Umwelt. Auch wenn wir alle nur in einer lebenswerten Umwelt eine Zukunft haben, so wird sich eine gesunde Umwelt nur dann entwickeln, wenn man alle Bürger in die gesellschaftliche Verantwortung nimmt. So, wie bei vielen komplexen Themen, hat sich gezeigt, dass man das Umweltthema nicht nur mit zentralistischen Steuermechanismen lösen kann, sondern es Anreize zur Eigenverantwortung bedarf. Es muss erst einmal eine ganzheitliche gesellschaftliche Vision für Deutschland geschaffen werden, der sich dann die einzelnen Themen unterordnen können.

Einzig die FDP berücksichtigt in ihrem Wahlprogramm, dass sich unsere Gesellschaft in Zukunft extrem verändern wird. Benötigt wird eine Vision, welche den Menschen die Angst vor der Zukunft nimmt und in heutigen Konzepten bestehende Gegensätze aufhebt. Die FDP ist eine alte Partei. Von einer Bürgerrechtsbewegung hat sie sich zur Partei des Mittelstands verändert. Sie muss den Spagat leisten, mittelständigen Unternehmen eine Perspektive zu bieten und gleichzeitig den Bürgern ihre Freiheitsrechte zu erhalten.
Die FDP ist die einzige Partei, die sich in ihren Forderungen den Zukunftsthemen derzeit stellt. Sie hat jetzt die einmalige Chance, zur Volkspartei zu werden, wenn sie mit der Vision des „Anders Denkens“ nicht nur die Wunschvorstellung der Neumitglieder bedient, sondern auch die Mitglieder der alten FDP und in einem zweiten Schritt die Bevölkerung überzeugt. Aus einem starken Staat muss eine starke, von den Meisten getragene Vision werden, wie man Interessen von Staat, Wirtschaft und Bürgern miteinander verbindet.
Trusted WEB 4.0 kann hier zumindest als Diskussionsvorlage, wenn nicht als Lösung gelten. Denn Trusted WEB 4.0 hebt die Widersprüche zwischen innerer Sicherheit und Freiheitsrechten in der digitalen Gesellschaft auf. Auch wird die derzeitige Wachstumsbremse Datenschutz so zum Wachstumsmotor und Exportschlager für deutsche Unternehmen.
In diesem Buch beschäftige ich mich mit einem funktionierenden Masterplan, der dann in allen Bereichen diskutiert und an die entsprechenden Anforderungen angepasst werden sollte.