Energiewende: Regierungsanreize und Konzepte kontraproduktiv!

Im Rahmen der Corona-Krise wurde die Innovationsprämie beim Kauf eines reinen E-Fahrzeugs von der Bundesregierung verdoppelt. Somit wird das E-Auto der Treiber für den Ausbau der Stromnetze. Die damit verbundenen Herausforderungen an die Stromnetze sind enorm. Nicht nur die Strommenge, die das Netz transportieren muss, steigt extrem an, sondern auch die Volatilität, also Schwankungen, die im Stromnetz durch nicht immer gleichmäßig verfügbare erneuerbare Energien entstehen.

Wir Europäer erhalten unseren Strom aus einem europäischen Verbundsystem. Dieses wiederum ist mit anderen Verbundsystemen vernetzt. Es zeichnet sich ab, dass die Corona-Krise Europa härter trifft, als erwartet. Keiner kann bisher voraussagen, welche Verwerfungen in Folge von Corona noch auf uns zu kommen. Möglich scheint, dass in einzelnen Regionen Qualitätsstandards nicht mehr eingehalten werden oder das Geld für notwendige Instandhaltungen der Strominfrastrukturen fehlen wird. Ebenfalls nicht auszuschließen ist, dass die Personaldecke an Hotspots so dünn wird, dass hier ein sicherer Betrieb eines Netzes nicht mehr möglich ist. Jedes Sicherheitskonzept ist auf eine bestimmte Maximalbelastung ausgelegt. Der schnelle Ausbau der Elektromobilität ist bereits jetzt für die Aufrechterhaltung der Sicherheit des Stromnetzes eine erhebliche Herausforderung. Corona könnte zur im Sicherheitskonzept ausgelassenen Variable werden, Teile des Stromnetzes könnten zusammenbrechen.

Wir müssen uns auf eine neue dezentrale Strategie konzentrieren, in der der Strom weitgehend da, wo er gebraucht wird, auch erzeugt wird.

Seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit Konzepten für einen dezentralen Lastausgleich. Erste Ideen habe ich in einem Objekt umgesetzt. Im Sommer geht hier eine Klimaanlage nur an, wenn überschüssige Sonnenenergie vorhanden ist. Wolken genau wird die Klimaanlage an und abgeschaltet. Auch mit Aufheizen der Wände über Infrarotheizkörper mit Überschussenergie habe ich experimentiert. Über ein dezentrales, virtuelles, Nutzer gesteuertes Kraftwerk könnte Strom gebündelt am Strommarkt eingekauft werden. Bei allen Optimierungen benötigt man zusätzlich einen Stromspeicher für die Nacht und die Tage, an denen regenerative Stromquellen fehlen.

In diesem Zusammenhang habe ich mich mit einem Wärmemotor beschäftigt, der auf Basis von Schichtspeicherwärme zu einer beliebigen Zeit Strom erzeugen kann, nicht zu verwechseln mit einem Stirling-Motor, der den Nachteil hat, nur dann effizient zu sein, wenn der darunter arbeitende Kessel gleichzeitig Wärme produziert. Hersteller von Schichtspeichern waren von dem Konzept angetan, sahen aber keine Möglichkeit der Vermarktung, weil die Handwerkerstrukturen Innovationen gegenüber nicht aufgeschlossen sind. Warum soll sich ein Handwerker, der sich vor Aufträgen wegen der Förderung nach dem Gießkannenprinzip nicht retten kann, mit etwas Neuem auseinandersetzen. Handwerker sind heute froh, wenn die wenigen Facharbeiter, welche sie bekommen können, ein Minimalportfolio beherrschen. Schwierig wird es zudem, wenn von einem Produkt mehrere Gewerke betroffen sind. Bei diesem Konzept ist sowohl ein Heizungsinstallateur als auch ein Elektriker nötig.

Mit den derzeitigen Förderinstrumenten sind wir in keiner Weise in der Lage, eine Energiewende herbeizuführen. Aber auch an unseren Umsetzungsstrukturen vor Ort muss sich einiges ändern.

Wir brauchen Abrechenbarkeit, sichere Infrastrukturen und die richtigen Anreizsysteme.

Eine dezentrale Abrechnung muss Schnittstellen zu dem zentralen Stromsystem besitzen. Der zentral über Kraftwerke einzuspeisende Strom muss planbar sein. Das ist technisch lösbar, indem dezentrale Einheiten in virtuellen Kraftwerken gebündelt, ihre Ist- und Sollzuständen an das zentrale Stromnetz melden. Was fehlt, ist eine eindeutige Identität eines jeden Verbrauchers, ohne die Anonymität eines Kunden aufheben zu müssen. Die bisher beschrittenen Wege der Smart-Meter, der Übermittlung personenbezogener Daten oder Zugriffsrechte über IPv6 auf möglichst jeden Stromverbraucher haben sich richtigerweise aus Sicherheits- und Datenschutzaspekten nicht durchgesetzt.

Ein alternatives Konzept bietet das EU-D-S, in dem jeder EU Bürger einzeln identifizierbar ist, ohne dass seine personenbezogenen Daten über das Internet aufgerufen werden können. Das Konzept des EU-D-S habe ich aktuell im Rahmen eines Drafts für einen EU Marshallplan an die EU Kommission übermittelt. Hintergrundinformationen hierzu finden Sie unter http://gisad.eu/statements/.

Technisch wäre es auch in diesem Konzept möglich, dass alle Stromverbraucher permanent über das Internet erreichbar wären. Davon rate ich jedoch aus Sicherheitsgründen ab. In Corona Zeiten steigt auch die Cyberkriminalität exponentiell an. Besser ist es, wenn nur unidirektional Minimalinformationen, wie ein Alarm, von Stromverbrauchern über das Internet gesendet werden. Der Objektverantwortliche muss über jede dieser Transaktionen informiert werden. Ein Angriff auf die Geräte über das Internet ist so weitgehend ausgeschlossen. Auch ein solches Verfahren habe ich entwickelt und setze es erfolgreich in einem Objekt ein.

Was jetzt noch fehlt, sind die Anreizsysteme für einen Strukturwandel bei den Anbietern, siehe http://gisad.eu/wp-content/uploads/2020/09/Klimaschutz-durch-Innovation.pdf . Gut gemeinte Regierungsanreize bleiben wirkungslos, wenn mit ihnen kein echter Strukturwandel erreicht wird. Hersteller müssen sich davon verabschieden, in regelmäßigen Innovationszyklen neue Geräte herauszubringen, welche zwar einen guten „Produkt Carbon Footprint“ im Labor aufweisen, aber vernachlässigen, dass sie sich dem Vergleich mit Altgeräten stellen müssen, bei denen bereits als Sowieso-CO²-Aufwände Herstellung, Gewinnung, Transport der Rohstoffe, Vorprodukte, Produktion und Distribution angefallen sind. Wenn man mit neuen Systemen mehr verdient, besteht überhaupt kein Interesse, modulare, zukunftsoffene und somit umweltfreundliche Systeme zu entwickeln.

Lange habe ich gezögert, den Wechselrichter einer erst 2016 installierten PV-Anlage auszutauschen. Das damalige Gerät eines europäischen Herstellers war noch nicht zum Anschluss an eine Notstrombox vorgesehen. Diese wurde mir jedoch bei meiner in Coronazeiten negativen Einschätzung der Stabilität des Stromnetzes wichtig. Wie wohl viele andere, habe ich für die Versorgungssicherheit meine Umweltbedenken hintenangestellt und eine Batterie des chinesischen Marktführers zusammen mit einem neuen Wechselrichter des vorhandenen Herstellers gekauft. Geärgert haben mich die schon monopolartigen Strukturen. Alternativ wurde mir nur von anderen Handwerkern ein Batteriesystem mit Permanent-Internetvernetzung und Anschluss an eine Batteriecommunity angeboten. Hiermit hätte ich die durch mein eigenes System erkämpfte IT-Sicherheit aufgeben müssen.

Absurd wird es dann, wenn das neue Gerät des gleichen Herstellers nicht einmal die Funktionalität des alten Geräts aufweist. In meinem System schalte ich eine Klimaanlage mit einer dezentralen Intelligenz, die an einen Ertragszähler für die PV-Anlage und einen Verbrauchszähler für den Objektstromverbrauch angeschlossen ist. Erst wenn über einen Schwellwert mehr Strom erzeugt wird, als verbraucht wird, schaltet sich im Sommer die Klimaanlage an. Der im Oktober 2020 installierte neue Wechselrichter liefert jetzt dem Stromzähler meines Systems nur noch den durch die Batterieeinspeisung ergänzten Stromertrag. Solange die Batterie nicht leer ist, wird auch dann ein PV-Ertrag angezeigt, wenn in Wirklichkeit die Batterie entleert wird. Nach Angabe des Handwerkers müsste ich jetzt eine neue API JSON Schnittstelle zu meinem System schaffen. Die Integration der vorhandenen Zähler war jedoch Vertragsbestandteil. Hier ist der Handwerker genau wie ich Opfer einer falschen Herstellerphilosophie geworden.

Wir brauchen technische Standards, die eine möglichst große Vielfalt der Integration vorhandener Installationen zulassen. Diese Standards müssen durch die richtigen Anreizsysteme unterstützt werden. Die meisten Kunden wären bereit, den Hersteller an ihrem Effizienzgewinn zu beteiligen, wenn es denn einen gibt. In den letzten Jahren habe ich mir die unterschiedlichsten Systeme anbieten lassen, um die Energiebilanz des Objektes zu erhöhen. Bei einer realistischen Betrachtung aller Konsequenzen gab es bei den meisten mir angebotenen Systemen für viel Geld sogar Negativeffekte, wenn man bei den bereits vorhandenen Systemen entstandenen Sowieso-Kosten abzieht.

In Corona-Zeiten die Innovationsprämie zu verdoppeln, ist ein Pflaster für die Autoindustrie. Es hilft aber der Umwelt in einer Situation, in denen wegen zunehmendem Homeoffice weniger gefahren wird, nicht weiter. Jede zentral mit Einzelmaßnahmen gesteuerte Umweltpolitik ist zum Scheitern verurteilt. Die richtigen Anreize fördern Vielfalt und unterstützen die Integration aller Systeme – auch soweit möglich im Bestand – in ein dezentrales, von den Verbrauchern getriebenes Umweltkonzept. Hierdurch fällt dann auch die derzeitige Überlastung der Handwerker weg. Da Aufträge weniger Material intensiv sind, reduziert sich sogar ihr unternehmerisches Vorleistungs-Risiko.

Digital Society – The Strength of German Politics Leads to the Decline of Europe

Exponentially increasing dependencies on Software and hardware manufacturers outside the EU were ignored by politicians. The citizens had no say in the resulting restrictions on their freedom rights.

At the press conference, Angela Merkel once again demonstrated why she is Chancellor in TV „Tagesthemen“ of 22.45 a.m. on 15 October 2020. A pile of paper lay in front of her and was intended to help explain the new rules drawn up jointly at the Corona Summit. Merkel began to read from the notes. However, after a few notes, she confused the papers or found no relevant information in it. In real multitasking, one did notice in the lecture not for a second that at the same time she flipped through her papers in search of something relevant to find. Rather, she spoke without a point or comma, stylistically impeccable. No one was stigmatized. Everyone was integrated and exhorted. Content that could not be agreed on at this time – probably most of them – were avoided.

Like Mrs Merkel, one must act as a majority-capable politician. But increasingly missing those who identify unambiguous truths. When someone has found truth, he should not deviate a millimetre from the demands resulting from these truths. I see myself in such a position with regard to the demands for a digital society. I’ve been searching for truths for 25 years. As a politician, I’m completely unsuitable. I can get irritate myself in a short lecture when I realise that I thought one or the other not to an end. That’s why I prefer to post in writing or in videos that I can edit at will, until there are no questions left unanswered. For that, when I have thought something to the end, I am only very seldom mistaken.

The German government can score points in the pandemic because every citizen can directly notice the personal consequences of a measure and can be traced in the hospitals of Europe, what it means when the virus escalates. Above all, every citizen can participate in a common goal.

But it is precisely the strength of a Merkel-styled Germany with influencing the EU, which finds a compromise for everything and everyone, why i fear, will lead to Europe’s dissolution in the next ten years. Germany is doing well within Europe because we Germans are particularly good at sticking to rules. But if we compare Europe with Asia, we suddenly realise that even democratic countries such as South Korea survive with much fewer deaths and much less consequences for the Corona economy. In this way, they will become stronger in competition with Europe.

In Europe, it is argued that our freedom rights are a very high asset for us and that such a hard lockdown, as usual in Asia, is therefore out of the question. We also reject a complete tracking of infected people. The truth is, it has been so good for us for many years with a diplomacy of mediating that we have been able to afford freedom rights without having to do much for it. Politics has failed to take citizens along in a change that has now taken place without and against the citizens.

Not only is the Corona pandemic growing exponentially, but also global digitalisation is rapidly changing the world accordingly. Digitalisation relentlessly exposes the weaknesses of our policies. Today, the reference to our freedoms rights is often hypocritical because we have let decades pass unused without worrying about a digital strategy that preserves freedom.

As a downside of eternal mediation, Europe’s strategic vacuum has emerged in terms of preserving pre-digital democratic achievements. Diversity must not become the opposite of a social concept. But this is exactly what happens when, for example, a Belgian initiative against terrorism no longer dynamically wants to associate IP addresses but with groups of up to 16, then identifiable users, or Germany is constantly thinking about retention of personalised data and on the other hand, laws such as the GDPR or e-Privacy arise.

We can learn from Corona and dictatorships that a piece of dictatorship can be necessary in democracy. It is the dictatorship of truth. Ultimately, all Europeans have subjected themselves to the predictions of virologists in the pandemic. These predictions are nothing more than a scientific knowledge condensed to the truth. If, after many hundred years of social development, we in Europe have at least a majority understanding of the rule of law, civil rights and diversity, then these are truths that must be enforced without ifs and but also in digitalisation.

We can and must use Corona together with digitalisation to be better positioned in future pandemics than authoritarian states can do in their system limitations. We must take advantage of the opportunity to take every citizen on the digital journey. Together we are much stronger than a single dictator.

Unfortunately, the challengesare much higher and more complex than the Corona pandemic. Because digitisation doesn’t come suddenly. In a creeping process, over the past two decades, citizens have learned that they have to exchange their personal data and have to give up many civil rights if they want to participate in the digital society. Companies and states have understood too late what fundamental dependencies they have gone into. In order to understand the complexity of created dependencies, I recommend a podcast from the FAZ: “Why modern wars are waged with semiconductors”, see  a href=“https://m.faz.net/podcasts/f-a-z-digitec-podcast/warum-moderne-kriege-mit-halbleitern-gefuehrt-werden-16993545.html“ 
So many steps have been taken without the citizens in the wrong direction, so that only with democratic processes the missed can no longer be made up.

One can certainly speak of the fact that digital Europe is an occupied zone that needs a Marshall Plan to get back on its own feet at all. EU Commission President Ursula von der Leyen has called for such a Marshall Plan. I wrote a draft for a Marshall Plan and made it available to the European Commission. I have also participated in various consultations, see http://gisad.eu/statements/ .

As a prerequisite, I have assumed several truths which, in my view, have been scientifically proven to be acceptable without further democratic discussions:

  1. Digitalisation supports the natural laziness of people. Laziness is the enemy of self-empowerment. Democracies need to develop incentive systems to maintain or even further develop people’s self-empowerment in a digital society.
  2. Optimised (well-processed) data are a prerequisite for a successful European digital economy.
  3. The majority of people do not like to receive alms, but want to return something when receiving social benefits, as long as this stigmatisation-free is possible.
  4. The state needs digital tools to ensure security. In a digital society, these tools must not restrict citizens’ rights more than in a pre-digital society.

There are three objectives for the Marshall Plan, to which all other EU measures on digitisation have to be subordinated:

  1. The optimal processing and easy utilisation of digital data, while maintaining diversity and performance-adopted integration of all parties involved in the value creation.
  2. The stigmatisation-free, lifelong digital involvement of all citizens with incentives for self-development.
  3. Digitally guaranteeing the necessary state tasks to preserve the security of citizens, the economy and the state, while maintaining pre-digital democratic achievements.

Against the background of the above-mentioned truths, European countries are currently making the following mistakes:

  1. Simple data processing is hindered by the mix of personal data with information important to the general public. A civil rights infrastructure in an EU-D-S (European digital system) would remove obstacles and put Europe at the forefront of competition for the best data.
  2. Corona forces many people to work short-time or become unemployed. Many companies receive bridging aids and are not fully utilised. Here, at the expense of taxpayers, more money is given away than ever before. The unique opportunity is wasted to obtain high-quality data for Europe’s economy and citizens in return for the subventions that are then used in a meaningful way. At the same time, the wrong incentives are placed on the comfort of the citizens and against their self-development.
  3. Instead of creating an optimal infrastructure for citizens, the economy and the state, there is a constant struggle between the state and the economy for sovereignty over citizens’ personal digital data.

In the first quarter of 2021, the Commission will deal with all the submissions. It remains to be hoped that in the EU institutions the decision-makers will have the power to adopt against a policy of compromises shaped by Germany in favour of a European overall strategy of a Marshall Plan, which ultimately makes sense for all EU citizens. Through a smart digital citizen participation must be ensured that such a long lasting avoid development of the citizen rights can never be repeated.

Olaf Berberich

Digitale Gesellschaft – Die Stärke deutscher Politik führt zum Untergang Europas

Exponentiell steigende Abhängigkeiten von EU fremden Software- und Hardwareherstellern wurden von der Politik ignoriert. Die Bürger hatten kein Mitspracherecht bei den sich dadurch ergebenden Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte.

In den Tagesthemen von 22.45 Uhr am 15, Oktober 2020 hat Angela Merkel in der Pressekonferenz einmal mehr gezeigt, warum sie Kanzlerin ist. Ein Stapel Zettel lag vor ihr und sollte helfen, die gemeinsam auf dem Corona-Gipfel erarbeiteten neuen Regeln zu erklären. Merkel begann von den Zetteln abzulesen. Doch schon nach einigen Zetteln brachte Sie die Reihenfolge durcheinander oder fand hierin keine relevanten Informationen mehr. In echtem Multitasking merkte man im Vortrag nicht eine Sekunde, dass sie gleichzeitig ihre Zettel durchblätterte, auf der Suche, doch noch etwas Grundlegendes hier zu finden. Vielmehr redete sie ohne Punkt und Komma, stilistisch einwandfrei. Niemand wurde stigmatisiert, alle wurden mitgenommen und ermahnt. Inhalte, auf die man sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht einigen konnte – das waren wohl die meisten – wurden dabei vermieden.

So, wie Frau Merkel muss man wohl als mehrheitsfähiger Politiker agieren. Aber es fehlen zunehmend diejenigen, welche eindeutige Wahrheiten identifizieren und wenn sie diese gefunden haben, keinen Millimeter von aus diesen Wahrheiten resultierenden Forderungen abweichen. Auf einer solchen Position sehe ich mich in Bezug auf die Forderungen für eine digitale Gesellschaft. 25 Jahre habe ich nach Wahrheiten gesucht. Als Politiker bin ich völlig ungeeignet. Ich kann mich selbst schon in einem kurzen Vortrag aus der Fassung bringen, wenn ich merke, dass ich das eine oder andere noch nicht zu Ende gedacht habe. Deshalb äußere ich mich lieber schriftlich oder in Videos, die ich nach Belieben nachbearbeiten kann, bis möglichst keine Fragen mehr ungeklärt bleiben. Dafür irre ich mich dann, wenn ich etwas zu Ende gedacht habe, nur sehr selten.

Die Bundesregierung kann in der Pandemie punkten, weil jeder Bürger die persönlichen Konsequenzen einer Maßnahme direkt bemerkt und in den Krankenhäusern Europas nachvollzogen werden kann, was es bedeutet, wenn das Virus eskaliert.

Doch gerade die Stärke eines durch Merkel geprägten Deutschlands mit Ausstrahlung auf die EU, welches zu allem und jedem einen Kompromiss findet, führt nach meiner Befürchtung dazu, dass Europa sich in den nächsten zehn Jahren auflösen wird.
Deutschland steht innerhalb Europa gut da, weil wir Deutschen besonders gut darin sind, uns an Regeln zu halten. Doch vergleicht man Europa mit Asien, dann muss man plötzlich feststellen, dass selbst demokratienahe Länder wie Südkorea mit wesentlich weniger Toten und wesentlich geringeren Folgen für die Wirtschaft Corona überstehen. Im Wettbewerb mit Europa werden sie so stärker werden.

In Europa wird argumentiert, dass für uns unsere Freiheitsrechte ein sehr hohes Gut sind und ein so harter Lockdown, wie in Asien üblich, deshalb nicht in Frage kommt. Auch lehnen wir ein lückenloses Tracking von Infizierten ab. Die Wahrheit ist, uns ist es viele Jahre mit einer Diplomatie des Vermittelns so gut gegangen, dass wir uns Freiheitsrechte leisten konnten, ohne viel dafür tun zu müssen.

Nicht nur die Corona-Pandemie wächst exponentiell, sondern auch die globale Digitalisierung verändert entsprechend schnell die Welt. Die Digitalisierung legt unbarmherzig die Schwächen unserer Politik offen. Heute wirkt der Verweis auf unsere Freiheitsrechte oft scheinheilig, weil wir Jahrzehnte haben ungenutzt verstreichen lassen, ohne uns um eine Freiheitsrechte erhaltende Digitalstrategie zu kümmern.

Als Kehrseite des ewigen Vermittelns ist ein Strategievakuum Europas in Bezug auf den Erhalt vordigitaler demokratischer Errungenschaften entstanden. Vielfalt darf nicht zum Gegenteil eines Gesellschaftskonzepts werden. Genau das passiert aber, wenn zum Beispiel eine belgische Initiative gegen Terrorismus IP-Adressen nicht mehr dynamisch, sondern Gruppen von maximal 16, dann identifizierbaren Nutzern zuordnen will oder Deutschland ständig wieder über Vorratsspeicherung personalisierter Daten nachdenkt und auf der anderen Seite Gesetze wie die DSGVO oder e-Privacy entstehen.

Von Corona und Diktaturen können wir gleichermaßen lernen, dass ein Stückchen Diktatur auch in der Demokratie nötig ist. Es ist die Diktatur der Wahrheit. Letztendlich haben sich alle Europäer den Prognosen der Virologen in der Pandemie unterworfen. Diese Prognosen sind nicht mehr, als eine zur Wahrheit verdichtete wissenschaftliche Erkenntnis. Wenn wir in Europa nach vielen hundert Jahren gesellschaftlicher Entwicklung ein zumindest mehrheitliches Verständnis von Rechtsstaatlichkeit, Bürgerrechten und Vielfalt haben, dann sind das Wahrheiten, die es gilt, ohne Wenn und Aber auch in der Digitalisierung durchzusetzen.

Wir können und müssen Corona zusammen mit der Digitalisierung nutzen, um bei zukünftigen Pandemien besser aufgestellt zu sein, als autoritäre Staaten es in ihren Systembegrenzungen können. Wir müssen die Möglichkeit nutzen, jeden Bürger auf der digitalen Reise mitzunehmen. Gemeinsam sind wir viel stärker, als ein einzelner Diktator.

Die Herausforderungen sind leider viel höher und komplexer, als bei der Corona-Pandemie. Denn die Digitalisierung kommt nicht plötzlich. In einem schleichenden Prozess haben die Bürger in den letzten zwei Jahrzehnten gelernt, dass sie ihre persönlichen Daten tauschen müssen und viele Bürgerrechte aufgeben müssen, wenn sie an der digitalen Gesellschaft teilnehmen wollen. Unternehmen und Staaten haben zu spät verstanden, in welche grundsätzlichen Abhängigkeiten sie sich begeben haben. Um die Komplexität entstandener Abhängigkeiten zu verstehen, empfehle ich einen Podcast von der FAZ: „Warum moderne Kriege mit Halbleitern geführt werden“, siehe https://m.faz.net/podcasts/f-a-z-digitec-podcast/warum-moderne-kriege-mit-halbleitern-gefuehrt-werden-16993545.html .

Man kann durchaus davon sprechen, dass das digitale Europa eine besetzte Zone ist, die einen Marshallplan braucht, um überhaupt noch einmal auf die eigenen Füße zu kommen. Einen solchen Marshallplan hat die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gefordert. Einen Draft für einen Marshallplan habe ich geschrieben und der EU-Kommission aktuell zur Verfügung gestellt. Weiterhin habe ich mich an verschiedenen Beratungsverfahren der Kommission beteiligt, siehe hierzu http://gisad.eu/statements/ .

Als Voraussetzung bin ich von mehreren Wahrheiten ausgegangen, die nach meiner Ansicht wissenschaftlich soweit erwiesen sind, dass man diese ohne weitere demokratische Diskussionen annehmen kann:

  1.  Die Digitalisierung unterstützt die natürliche Bequemlichkeit der Menschen. Bequemlichkeit ist der Feind von Selbstbestimmtheit. Demokratien müssen Anreizsysteme entwickeln, um die Selbstbestimmtheit der Menschen in einer digitalen Gesellschaft aufrecht zu erhalten oder besser sogar weiter auszubauen.
  2. Veredelte (gut aufbereitete) Daten sind Voraussetzung für eine erfolgreiche europäische Digitalökonomie.
  3. Die Mehrheit der Menschen ist nicht gerne Almosenempfänger, sondern möchte bei dem Erhalt von Sozialleistungen etwas zurückgeben, solange das stigmatisierungsfrei möglich ist.
  4. Der Staat benötigt digitale Werkzeuge, um die Sicherheit zu gewährleisten. Diese Werkzeuge dürfen in einer digitalen Gesellschaft die Bürgerrechte nicht mehr einschränken, als in einer vordigitalen Gesellschaft.

Es ergeben sich für den Marshallplan daraus drei Ziele, denen sich alle anderen EU-Maßnahmen zur Digitalisierung unterzuordnen haben:

  1. Die optimale Veredelung und einfache Verwertung digitaler Daten, bei Erhalt von Vielfalt und leistungsgerechter Einbindung aller an der Wertschöpfung Beteiligten.
  2. Die stigmatisierungsfreie, lebenslange digitale Einbindung aller Bürger mit Anreizen zur Selbstentfaltung.
  3. Die digitale Gewährleistung der notwendigen staatlichen Aufgaben zum Erhalt der Sicherheit für Bürger, Wirtschaft und Staat, bei Beibehaltung vordigitaler demokratischer Errungenschaften.

Vor den Hintergrund oben genannter Wahrheiten machen die
europäischen Länder derzeit folgenden Fehler:

  1. Die einfache Datenveredelung wird durch die Mischung personenbezogener Daten mit für die Allgemeinheit wichtigen Informationen behindert. Eine Bürgerrechts-Infrastruktur in einem EU-D-S (Europäisches Digital-System) würde Hindernisse aufheben und Europa im Wettbewerb um die besten Daten in eine Spitzenposition bringen.
  2. Durch Corona sind viele Menschen zur Kurzarbeit gezwungen, oder werden arbeitslos. Viele Unternehmen erhalten Überbrückungshilfen und sind nicht ausgelastet. Hier wird auf Kosten der Steuerzahler so viel Geld wie noch nie verschenkt. Dabei wird die einmalige Chance vertan, als Gegenleistung für dann sinnvoll eingesetzte Aufbauzahlungen hochqualitative Daten für Europas Wirtschaft und Bürger zu erhalten. Gleichzeitig werden die falschen Anreize an die Bequemlichkeit der Bürger und gegen ihre Selbstentfaltung gesetzt.
  3. Anstatt für Bürger, Wirtschaft und Staat einmal eine optimale Infrastruktur zu schaffen, wird permanent zwischen Staat und Wirtschaft ein Kampf um die Hoheit über die persönlichen digitalen Daten der Bürger geführt.

Im ersten Quartal 2021 wird sich die Kommission mit allen Eingaben beschäftigen. Bleibt zu hoffen, dass in den EU-Institutionen die Entscheider die Kraft besitzen, sich von einer durch Deutschland geprägten Politik der Kompromisse zu Gunsten einer letztendlich für alle EU-Bürger sinnvollen europäischen Gesamtstrategie eines Marshallplans zu verabschieden.

Olaf Berberich