Der Mittelstand als Motor im neuen Jahrzehnt

Liebe Leser des Mittelstandsblogs,

wieder ist ein Jahrzehnt vorbei. Vieles haben Einzelne, Unternehmer und die Politik sich 2000 zur Jahrtausendwende vorgenommen. Manches wurde erreicht, vieles nicht.

In unserer außengeleiteten Gesellschaft setzen sich immer mehr Entwicklungen evolutionär durch. Einzelne fühlen sich als kleiner Teil einer globalen Gesellschaft, überflutet von Informationen, die nur noch gefühlt als wahr oder unwahr gewertet werden.

Der Klimawandel ist unveränderlich oder der Klimawandel findet nicht statt. Wir haben eine Wirtschaftskrise oder es ist nur eine Bankenkrise. Es gibt eine Inflation oder keine Preissteigerung. Für die Schweinekrippe brauchen alle eine Impfung oder die Nebenwirkungen sind schlimmer als die Grippe.

Wir, der Mittelstand sind gefragt auch in Zukunft wichtige innovative Impulse zu setzen. Wer nichts riskiert, liegt 100% falsch. Wer Entscheidungen trifft und einen eingeschlagenen Weg hartnäckig verfolgt, hat eine über 50% Chance, richtig zu liegen. Wir sind es, die auch in Zukunft etwas bewegen. Wir sind es, die sich nicht vor den Karren der Lobbyisten spannen lassen, sondern unseren eigenen Weg gehen.

Will Politik in Zukunft erfolgreich sein, so sei ihr geraten, weniger nach den Strömungen im Fluss zu suchen und mehr ihren Kurs beizuhalten, ohne sich beeinflussen zu lassen. Nur an der Einhaltung ihrer Versprechen wird man sie messen.
25% Bürokratieabbau und Abbau von Subventionen hat die neue Regierung versprochen. Überbordende Bürokratie ist die Antwort auf den sich in unserer Gesellschaft ausbreitenden Fatalismus. Zur Fehlervermeidung werden Verantwortlichkeiten in Politik und Behörden solange zerlegt, bis Verantwortliche nicht mehr zu finden sind.
Hier können Politik und Behörden viel vom Mittelstand lernen. Noch einmal, wenn jede Regierung der aktuellen Lobbyisten-Strömung folgt, erreicht sie nichts und liegt 100% falsch.

Wie kann es sein, dass der Mann auf der Straße inzwischen genau weiß, was nötig wäre: keine unsinnigen Subventionen für Lobbyistengruppen, keine Neuverschuldung aber konsequenter Umweltschutz ohne Rücksicht auf einzelne Zielgruppen.
Wer Weihnachten durch die Einkaufsstraßen flanierte, erfreute sich der Wärme der Warmluftgebläse der Geschäfte mit offenen Türen. Warum schiebt man hier nicht einen Riegel vor. Ist die Warmluftgebläselobby zu stark? Wenn alle Türen zu wären, würde jedenfalls kein Kunde weniger kaufen. Es gibt viele Möglichkeiten ohne große Investitionsprogramme das Richtige zu tun.

Verändern wird sich etwas, wenn jeder Politiker und jeder Beamte an seinen nachhaltigen Erfolgen gemessen wird. Dies geht nur, wenn ihm diese Erfolge und in gleicher Weise auch Misserfolge eindeutig zugeordnet werden können.

Wir brauchen nicht mehr Geld, um die zukünftigen Herausforderungen zu bewältigen, wir brauchen nur ein wenig mehr Konsequenz.

Ich wünsche uns allen ein sehr erfolgreiches neues Jahr mit mehr klaren Regeln und klaren Zielen.

Ihr Olaf Berberich

Bildungsstreik? Alles neu? Oder lieber den „Master of Practice“?

10 Jahre nachdem die Umstellung auf den Europäischen Bachelor-Studiengang beschlossen wurde herrscht bei den Studenten erheblicher Unmut, der sich in den derzeitigen Streiks Ausdruck verschafft. Zu verschult, zu viele Prüfungen sind die wichtigsten Vorwürfe.

Das Ziel einer europäischen Standardisierung von Schule und Universität ist theoretisch sinnvoll und lässt sich nicht mehr rückgängig machen.
Dies würde auch von den Studierenden bei einigen diskutierten Veränderungen akzeptiert, wenn die Studenten anschließend bereit für den Job wären.
Das anschließende Studium des Masters ist derzeit ebenfalls theoretisch aufgebaut und bringt die Studenten einem eigenverantwortlichen Arbeiten mit Führungsverantwortung nicht näher, sondern qualifiziert eher für eine wissenschaftliche Laufbahn.

Die heutige Studentengeneration gerät in Gefahr, sich an den Anforderungen der Wirtschaft, insbesondere des Mittelstands, der in Deutschland die meisten neuen Arbeitsplätze schafft, vorbei zu entwickeln. Die Diskussion könnte weitgehend entschärft werden, wenn neben einem theoretisierten Masterstudium ein Projekt orientiertes praktisches Aufbaustudium des „Master Of Practice“ angeboten würde.

Hält die permanente Überflutung durch die neuen Medien mit Informationsschnipseln von der intensiven und kritischen Auseinandersetzung mit „Wissen“ ab, so will Schule und vermehrt auch Studium durch das Eintrichtern von oft veraltertem Wissen vordergründig das Gegenteil. Der Effekt bei beiden Wissensbeschaffungsprozessen ist jedoch gleich: Es bleibt keine Zeit zum kritischen Hinterfragen von Informationen.

Erstaunlicher Weise ist diese Entwicklung völlig entgegengesetzt zu den im Rahmen der PISA-Studien entwickelten Forderungen.
PISA orientiert sich nicht an der Schnittmenge nationaler Curricula, sondern postuliert einen eigenen Bildungsbegriff, der auf Englisch als literacy bezeichnet wird: „das Wissen, die Fähigkeiten, die Kompetenzen, … die relevant sind für persönliches, soziales und ökonomisches Wohlergehen“ (OECD 1999). „Hinter diesem Konzept verbirgt sich der Anspruch, über die Messung von Schulwissen
hinauszugehen und die Fähigkeit zu erfassen, bereichsspezifisches Wissen und bereichsspezifische Fertigkeiten zur Bewältigung von authentischen Problemen einzusetzen.“(Quelle Wikipedia).

Rein verschulte Systeme schaden den Studenten weniger, deren Eltern den kritischen Umgang mit Informationen trainieren und ihren Kindern die Möglichkeit geben, Verantwortung zu übernehmen. Dieses Verhalten ist eher bei Akademikern und Familien mit gehobenem Einkommen zu erwarten. Hierdurch wird über Generationen eine Zweiklassengesellschaft verfestigt. Als Argument für das verschulte System wird angegeben, dass die Abbrecherquote im Vergleich zum früheren „freien“ Studium stark gesunken ist. Hierbei wird übersehen, dass ein abgeschlossenes Studium noch keinen Garantie für eine berufliche Karriere ist. Vielmehr werden die Studenten in der falschen Sicherheit gewogen, durch gute Noten für die Arbeitswelt bestens vorbereitet zu sein. Diejenigen, welche im alten Studiumssystem mangels Selbstorganisationsfähigkeit abgebrochen hätten, scheitern nach einem verschulten Studium umso heftiger beim Berufseintritt.

Die Lösung des Problems ist relativ einfach. Deutschland sollte seine Stärken ausspielen und ein praktisches Masterstudium anbieten, in dem eigenständiges verantwortliches Arbeiten in interdisziplinären Teams vor dem Berufseinstieg erlernt werden kann. Es sollte eine Vielfalt von kleinen Führungsschmieden entstehen, welche für den Master Of Practice im Wettbewerb stehen.

Bereits 1991 wurde ein solches Konzept als Pilotprojekt für Nordrhein-Westfalen aufgesetzt. Den meisten Studienanfängern – alles Akademiker, teilweise sogar promoviert – fehlte das Rüstzeug sich in der Arbeitswelt zu behaupten. Innerhalb von 10 Jahren wurde das Konzept zur Perfektion entwickelt. Akademiker mit Abschlüssen aus den unterschiedlichsten Bereichen arbeiteten in großen Multimediaprojekten zusammen. Multimediaprojekte eignen sich besonders gut für eine interdisziplinäre praktische Zusatzausbildung. Viele Studium übergreifende Fähigkeiten wie Arbeiten im Team, Teamleitung, Kalkulation von Projekten, Erstellung von Geschäftsplänen für innovative Produkte, Qualitätsmanagement, Marketing oder Computer- und Internetkenntnisse werden verfestigt.

Im Folgenden definiere ich auf Basis der Erfahrungen in dem Pilotprojekt GraTeach einen 12-Punkteplan als Voraussetzung für ein erfolgreiches Master of Practice Studium:

    1. Organisationsform:

  • Praxisuniversitäten dürfen nicht als neuer Fachbereich an bestehende Universitäten angegliedert werden, da der UNI-Betrieb zu groß und zu unflexibel ist.
  • Praxisuniversitäten sollten kleine Inhaber geführte Institute in privater Hand mit nicht mehr als 150 und nicht weniger als 60 Studenten gleichzeitig sein.
  • 2. Zielgruppe:

  • Der Zugang ist aus mehreren verwandten Studiengängen möglich, um eine dem Arbeitsalltag vergleichbare interdisziplinäre Teambildung zu erreichen, z.B. können Dipl.-Designer, Journalisten, Kommunikationswissenschaftler, etc. am „Master of Practice Multimedia“ teilnehmen.
  • Gleichzeitige Zugangsmöglichkeit mit Hilfe der Förderinstrumente der Arbeitsmarktpolitik für arbeitslose Akademiker im Sinne eines lebenslangen Lernens. Berufsanfängern und Berufserfahrene bereichern einander.
  • 3. Rahmenbedingungen:

  • Jedes neue Pilotprojekte erhält die Finanzierung einer Vorlaufphase von 12 Monaten.
  • In dieser Zeit müssen alle Eventualitäten berücksichtigt werden und in einem beide Seiten 100% bindenden Vertrag festgehalten werden.
  • Nach der Vorlaufphase Planungssicherheit von 5 Jahren für das Institut. Pilotprojekte brauchen Zeit, um sich zu entwickelt und müssen auch Fehler machen dürfen. Es hat fast 10 Jahre gedauert, bis das Konzept bei GraTeach so ausgefeilt war, dass es von alleine funktionierte.
  • Nach 4 Jahren gibt es eine Evaluation und ggf. die Entscheidung, dass das Pilotprojekt nach einem weiteren Jahr beendet wird.
  • 4. Personelle Bedingungen:

  • Im Pilotprojekt GraTeach zeigte sich, dass am Markt verfügbare Dozenten für das Konzept weitgehend ungeeignet waren.
  • Ein solches Konzept braucht keine Wissensvermittler, sondern Coaches, welche sich als Person zurücknehmen und auf Hilfe zur Selbsthilfe konzentrieren.
  • Es bedarf in der Vorphase einer speziellen Fortbildung der Dozenten. GraTeach hat zuletzt ausschließlich mit Absolventen des eigenen Instituts als Dozenten gearbeitet.
  • 5. Zulassungsverfahren:

  • Die Noten aus Abitur und Bachelor reichen nicht als Bewertungsgrundlage aus.
  • In einem persönlichen Beratungsgespräch muss geklärt werden, ob Bewerber die Voraussetzung mitbringen, sich auf ein eigenverantwortliches Arbeiten einzulassen. Wer ein Lehrinstitut erwartet, im dem scheibchenweise Wissen eingeträufelt wird, ist in einem solchen Konzept nicht nur falsch, sondern stört möglicherweise das ganze System.
  • 6. Bewertungssystem:

  • Keine Noten oder Standardisierung der Praxisstudien. Noten wurden im Gymnasium und dem Bachelor-Studium ausreichend vergeben. Im Wesentlichen dienen Noten der Selektion. Eine weitere Selektion nach dem Bachelor-Studium ist nicht sinnvoll. Volkswirtschaftlich sollen die bisher getätigten öffentlichen Investitionen in die Ausbildung der Absolventen zu einem möglichst qualifizierten Arbeitsplatz führen. Ziel jedes Absolventen muss es sein, die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu erhöhen.
  • Erstellung von qualifizierten Zeugnissen. Das Praxisstudium fungiert als erster Arbeitgeber. Die Studienzeit darf zwischen einem und drei Jahren variieren.
  • Wer nach der Regelstudienzeit nicht für den Arbeitsmarkt bereit ist, wird nicht fallengelassen, sondern immer mehr in Projektverantwortung / Wissensbeschaffung eingebunden, bis ein Arbeitsverhältnis weniger stressig erscheint, als weiter zu studieren. Mit dieser Strategie erreichte GraTeach zu nahezu 100% einen direkten Übergang von der Qualifizierung in ein Arbeitsverhältnis.
  • 7. Studiengebühren:

  • Keine Studiengebühren. Studiengebühren teilen in eine Zweiklassengesellschaft über Generationen ein und schöpfen nicht das Potenzial der Human Ressourcen aus.
  • 8. Kontroll-/Sanktionssystem:

  • Anwesenheitskontrolle über ein elektronisches Zeiterfassungssystem.
  • Berechnung einer No Show Gebühr für Fehlstunden, bzw. Zeiten, in der keine Leistung erbracht wurde. Mit diesem Konzept war GraTeach sehr erfolgreich.
  • Verdienstmöglichkeit im Rahmen von 400,- Euro Jobs für zusätzliche Leistungen. Hierdurch werden die Studierenden nicht gezwungen Zusatzjobs ohne Studiumsbezug anzunehmen.
  • Auch Abbrecher zahlen eine No Show Gebühr.
  • 9. Theorie/Praxis:

  • Die Theorie ordnet sich im Master of Practise Studium der Praxis unter, z.B. durch spezielle Lehrinhalte zu Organisation, Qualitätsmanagement, Personalführung, etc..
  • Möglichst schnelle Übernahme von realer Projektverantwortung durch die Studierenden und Einbindung in die Wissensbeschaffung.
  • Keine Durchführung von Schulungsprojekten ohne realen Auftraggeber. Solche Projekte wecken bei den Studenten weder die Motivation, noch werden diese bei zukünftigen Arbeitgebern als Praxiserfahrung gewertet. Im Pilotprojekt GraTeach arbeiteten die Studenten an realen Großprojekten wie der „Route Industriekultur“ mit.
  • Studierende galten nach ihrem Abschluss bei GraTeach nicht mehr als Berufseinsteiger und verhielten sich auch nicht mehr so.
  • 10. Positionierung der Projekte am Markt:

  • Berücksichtigung der Praxisuniversität bei Ausschreibungen von öffentlichen Projekten.
  • Eine Praxisuniversität muss einen anderen Focus auf die Auswahl für Projekte legen, als die Privatwirtschaft. Die Herausforderung der Teilnehmer durch möglichst innovative Projekte muss im Vordergrund stehen. So war z.B. die „Route Industriekultur“ für beide Seiten eine WIN-WIN-Situation. Keine Agentur hätte einen vergleichbaren Mix an Kunsthistorikern, Soziologen etc. zur Verfügung stellen können.
  • Projekte haben eine Mindestlaufzeit von 3 Monaten und einen Bedarf von zwischen 5 und 40 Projektmitarbeitern.
  • Die Aufträge dürfen nicht zeitkritisch sein.
  • 11. Wettbewerb mit Produktionsbetrieben:

  • Um eine Wettbewerbsverzerrung weitgehend auszuschließen, sollte ein Gremium zusammengesetzt aus Produktionsfirmen der jeweiligen Branche eine Kontrollfunktion ausüben.
  • Der Praxisuniversität sollte nicht gestattet sein, außerhalb den in Universitäts-Projekten durchgeführten Aufträgen als Anbieter in der Wirtschaft tätig zu werden. Dafür kann die Universität sich darauf verlassen, dass sie über Ausschreibungen der öffentlichen Hand ausreichend passende Projektaufträge erhält. Einen eigenen Vertrieb unterhält die Universität nicht.
  • Die in der Regel von der öffentlichen Hand stammenden Aufträge werden zu marktüblichen Preisen abgerechnet. Ergibt sich aus den Aufträgen nach den 5 Jahren Vertragslaufzeit ein Gewinn, welcher höher als der marktübliche ausfällt, so wird dieser entsprechend mit den gezahlten Fördermitteln verrechnet.
  • 12. Qualitätskontrolle:

  • In der Regel ist das Studienziel erreicht, wenn der Student nach mindestens 12 Monaten Verweildauer einen vom Arbeitgeber unterschriebenen Stellennachweis in einem adäquaten Bereich vorlegt.
  • Das Ehemaligennetzwerk sollte über Jahrzehnte gepflegt werden und entsprechende Rückschlüsse zur Verbesserung der Qualität des Praxisstudiums getroffen werden.

Mehrere hundert Absolventen des Pilotprojekts GraTeach sind heute als Vorstände, Geschäftsführer oder in sonstiger leitender Funktion erfolgreich. Zu ca. einem Drittel der Absolventen besteht heute noch ein Kontakt und somit der Nachweis über den beruflichen Erfolg.

Die GraTeach GmbH wurde 2001 in die Insolvenz getrieben. Das Förderinstrument der Ziel 2 Mittel, welches seit 1991 in Anspruch genommen wurde, zeigte sich letztendlich für ein solches Pilotprojekt als nicht geeignet.

Im Wesentlichen gab es zwei Gründe für die Insolvenz:
1. Die von der öffentlichen Hand an GraTeach vergebenen Projekte wurde nicht zu marktüblichen Preisen, bzw. teilweise überhaupt nicht bezahlt. Gleichzeitig wurden Fördermittel mit dem Argument der erfolgreichen Kommerzialisierung zurückgefahren.
2. Das Mitspracherecht von Stadt, Kreis, Bezirksregierung, Land und EU führte dazu, dass mit GraTeach auf regionaler Ebene getroffene vertragliche Absprachen nicht an alle Beteiligten kommuniziert wurden. Hier setzten unbekannte Akteure mit geheimdienstlichem Wissen den Hebel an, sodass letztendlich der bewilligenden Behörde schriftlich getroffene Absprachen nicht mehr erinnerlich waren.

O. Berberich, Gründer der GraTeach GmbH

Der Strukturwandel und NRW – Eine Bestandsaufnahme am Beispiel von Kamp-Lintfort

Der Strukturwandel und NRW haben eine ambivalente Beziehung.
Ausgefochten wird der Strukturwandel vor allem im Ruhrgebiet.
Seit Jahrzehnten kämpfen Besitzstandwahrer mit fast allen Mitteln im Ruhrgebiet als größtem Verbund in NRW dafür, dass alles beim Alten bleibt.
Langsam, viel zu langsam setzen sich die Innovativen durch und kämpfen für ein internationales Image als Medien- und IT-Standort .

Das FTK in Dortmund hat wesentlich dazu beigetragen, dass insbesondere mittelstädische Unternehmer der Region sich permanent weiterbilden und vernetzen können. So war auch wieder der Tag der Informations- und Kommunikationswirtschaft Nordrhein-Westfalen am 16. November 2009 in Essen mit rund 300 Teilnehmern ein voller Erfolg.

Die Cenalo GmbH –nach Angaben auf der Website ein Unternehmen mit 5 Mitarbeitern – wurde von den Veranstaltungsteilnehmern zum Sieger des IKT.NRW Innovationspreises gewählt.
Kleine Unternehmen wie Cenalo sind es, die wendig und innovativ genug sind, um auch in 2009 Arbeitsplätze zu sichern.
Hingegen stieß der Beitrag von Prof. Dr. Ingo Wolff (IMST GmbH, Kamp-Lintfort) bei vielen Veranstaltungsteilnehmern auf Unverständnis. Er verglich den Verwaltungsaufwand für eine Förderung mit öffentlichen Mitteln beim Bund mit dem Aufwand bei der Abrechung von Landesmitteln. Während sich der Bund bei einer Förderung von 500.000,- Euro mit einem Testat eines Wirtschaftsprüfers zufrieden gibt, verlangt das Land NRW einen dicken Ordner voll mit Originalbelegen für eine Fördersumme von 200.000,- Euro.
Viele Veranstaltungsteilnehmer aus dem Mittelstand würden gerne für 200.000,- Euro den entsprechenden Verwaltungsaufwand betreiben, wenn sie das Know How hätten, entsprechend einfach wie der Großsubventionsempfänger IMST an öffentliche Mittel zu gelangen.
Hier muss die Frage erlaubt sein, warum ein erfolgreiches international tätiges Institut wie das IMST überhaupt weiter Regionalmittel erhalten muss? Reicht es nicht, wenn Bundes- und EU-Mittel die internationale Vernetzung des IMST mit anderen Forschungseinrichtungen fördern?

Über Jahrzehnte wurden an die strukturschwache Stadt Kamp-Lintfort von der SPD-Regierung bevorzugt Subventionen vergeben. Leider hat sich die Region immer wieder wandelresistent gezeigt.

Die Stadt Kamp-Lintfort sah 2001 tatenlos zu, wie die Deutschland weit anerkannte Führungsschmiede GraTeach Gesellschaft für Forschungs- und Qualifizierungskonzepte für neue Medien mbH nach 10 Jahren erfolgreicher Arbeit in eine von Wettbewerbern inszenierte völlig unnötige Insolvenz getrieben wurde. Diesen gefiel nicht, dass bei GraTeach ein durch Projektarbeit in Qualifizierungen wirtschaftlich tragfähiges Konzept entstand, welches zum Ziel hatte, sich vom öffentlichen Fördertopf abzunabeln.
Ca. 300 Absolventen tragen heute oft in der Funktion als Geschäftsführer zur Weiterentwicklung der deutschen Multimediabranche bei. Kamp-Lintfort profitierte nicht, da zahlreiche aus GraTeach hervorgegangene Existenzgründungen sich nicht in Kamp-Lintfort ansiedeln konnten, weil es schlichtweg keine Räumlichkeiten zu mieten gab.

Seit 2001 wurden die meisten Regional-Mittel der RAG-Bildung zugesprochen, die nicht gerade für innovative Konzepte steht.
Viele kluge Köpfe hat man aus der Region mit Ignoranz und Unverständnis vertrieben.
So wundert es nicht, wenn 2007 der Wettbewerb T-City mit einem Etat von 150.000.000,– Euro trotz Benq-Mitleidsbonus nicht nach Kamp-Lintfort sondern nach Friedrichshafen gegangen ist.

Seit 20 Jahren weiß man in Kamp-Lintfort, dass es mit der Kohle nicht weitergeht.
Vordergründiger Aktionismus hat lange über die Konzeptlosigkeit und fehlende Langfriststrategie hinweggetäuscht. Vorhandene Konzepte wurden boykottiert.
Nun soll also am 31.12.2012 als letzte Zeche die in Kamp-Lintfort schließen.

Es wird bei einer schrumpfenden Anzahl von Deutschen und zunehmenden Urbanisierung Landstriche geben, welche ihre Wirtschaftskraft verlieren. Kamp-Lintfort gehört definitiv dazu.
Als Ableger der Klever Fachhochschule 50 Studenten in Kamp-Lintfort studieren zu lassen, zeigt, wie hilflos die Versuche sind, zu retten, was vor 10 Jahren noch zu retten war.

1997 weigerten sich die Verkehrsbetriebe wegen fehlender Wirtschaftlichkeit eine weitere Bushaltestelle für den Technologiepark Dieprahm einzurichten. Bis heute gibt es diese nicht. Statt dessen träumt man im neuen Masterplan von einem eigenen Kopfbahnhof auf dem Zechengelände. Welche Wirtschaftskraft soll die Bahn AG denn bewegen, hier eine Anbindung herzustellen? Oder sollen hier wieder sinnlos Steuergelder verwendet werden?

Es bleibt zu hoffen, dass die Landesregierung NRW nicht erneut schwach wird und unwirtschaftlichen Investitionen noch mehr verlorenes Geld hinterher wirft. Es gibt viele Initiativen in NRW, die aus wenig Geld viele Arbeitsplätze schaffen können.
Die Wirtschaftskrise überwinden wir mit Hilfe zur nachhaltigen Selbsthilfe zusammen mit den Regionen, die ihre Bereitschaft zum Wandel in der Vergangenheit bewiesen haben.

O. Berberich, Gründer der GraTeach GmbH , Kamp-Lintfort

finder- Kategorienscout – jetzt auch für Handys

getTIME.net News aktuell:

Aufgrund der vielfachen Anfrage haben wir jetzt unter www.finders.de eine einfache Oberfläche zur Verfügung gestellt, mit der über die Suche oder die Kategorienauswahl die gesamten Angebote aus dem Synergienetzwerk Mittelstand aufrufen werden können.
Besonders schnell kann man sich so über spezifische Themen wie „Politik“ oder „H1N1“ direkt bei den hinterlegten Contentpartnern informieren.

Ebenfalls reduziert und damit für das Handy optimiert ist die Anzeige von regionalen Informationen wie zum Beispiel bei Eingabe von „Krefeld“.

Probleme bereiten noch die Shop-Partner, da die Shoplayouts meist noch nicht für den Aufruf mit einem Handybrowser optimiert sind. Ca. 500 Shop-Partner mit über 10 Mio. Produkten sind erreichbar.
Wir sind auf Ihre Kommentare zum Beta-Release gespannt. Mobile Internetseiten auf XTML/XML Basis sind immer noch eine besondere Herausforderung, da viele Handys sich unterschiedlich verhalten.

Die www.citythek.de und die anderen Seiten im Synergienetzwerk bleiben natürlich im alten Umfang erhalten. Jeder Nutzer kann jetzt durch die Wahl der Einstiegsdomain entscheiden, wieviel Information er braucht.

Ihr get-PRIMUS Team

Die Lektion – Florida, Missouri River – Juli 2015, Kapitel 48, Teil II

Draußen sind es 48 Grad im Schatten. Die alte Klimaanlage rattert laut. Ich blicke auf den kitschigen Wandkalender.
Natürlich kenne ich das heutige Datum genau.
Wir schreiben den 11. Juli 2015.
Niemand auf der Welt würde jemals den 11. Juli wieder vergessen, der heute weltweit als Feiertag gilt.

Für zwei Monate bin ich in den USA als Berater tätig. Ich habe mir ein altes Hausboot gemietet. Das Wasser brauche ich auch heute noch. Obwohl wir uns täglich R-Faxe mit Videoanhang schicken, fehlt mir Brigitte sehr. Es ist schon sehr prägend, wenn man lange Zeit immer zusammen gewesen ist.

Heute sitze ich an den letzten Seiten meines Buches und frage mich, wie so viele Male vorher, ob es richtig war, dass ich dem Drängen nachgegeben habe, dieses Buch zu schreiben.
Ist ein weiteres Buch zum Thema 7/11 wirklich notwendig?
Zahlreiche Bücher sind inzwischen erschienen, welche aus der Betroffenheit einzelner Personen heraus schildern, wie nur eine Woche Chaos in über 100 Ländern das Gesicht der Welt veränderte.

Von mir erwartet man nun eine neutrale Sichtweise auf die Dinge. Immerhin bin ich einer, der von der ersten Stunde an eingebunden war, ohne persönlich von den Ereignissen betroffen zu sein.
Man hat mir sogar Einblick in die bisher streng geheimen Gesprächsprotokolle der Krisenstäbe gegeben. Bis heute bin ich in die Entscheidungen von FINDERS eingebunden. Bei FINDERS bin ich inzwischen eines der wenigen Urgesteine, einer der den Kontakt zur Basis nicht verloren hat.

Ich lege größten Wert darauf, in diesem Buch nur Fakten aufzuschreiben, welche mir persönlich bekannt geworden oder in offiziellen Protokollen nachzulesen sind. Inzwischen sind auch die meisten Verhörprotokolle der mehrjährigen staatlichen Untersuchung öffentlich.

Lediglich das letzte Kapitel über die Langeweile habe ich frei erfunden. Ich fand einen irren Hippie zur Situation viel passender, als mögliche politische Hintergründe.

Bis heute sind wohl über 500 Bücher erschienen, welche meist als reißerische Katastrophengeschichten Einzelschicksale von 7/11 beleuchten und für die nächsten 10 Jahre ausreichend Stoff für Filme bieten.

Sicher wird eines Tages noch ein Buch erscheinen, was passiert wäre, wenn es FINDERS nicht gegeben hätte. Für mich ist ein solches Katastrophen-Szenario unverstellbar. Heute ist FINDERS längst ein international tätiger Konzern. Nur wenige erinnern sich daran, dass die Erfolgsstory von FINDERS den mutigen Entscheidungen einiger Weniger zu verdanken ist. Gerade den heimlichen Helden wie Christian Wolff, der heute in Vergessenheit geraten ist, widme ich dieses Buch. Dies war mit ein Grund, warum ich mich für ein eigenes Buch entschieden habe.

Ich habe eine eigene Sichtweise auf die Dinge. Die Sichtweise eines Außenstehenden – schließlich hatten Frankreich und Deutschland nach einer kurzen Finanzkrise ein Wirtschaftswunder als Exportland für die englischsprachigen Ländern geschaffen – habe ich in den mir bekannten Büchern nicht gefunden.

Ich habe meine Erfahrungen in der Schnittstelle zwischen Mensch, Gesellschaft und Technik in dieses Buch mit eingebracht. In der zunehmenden Globalisierung stehen Regierungen einzelner Länder unter ständig wachsendem Rechtfertigungsdruck. Die Ereignisse der letzten Jahre zeigen eindeutig, was passiert, wenn Regierungen nur auf technische Entwicklungen reagieren, anstatt selbst verantwortlich gerade in den innovativen Bereichen mit funktionierenden gesellschaftlichen Konzepten die Zukunft zu gestalten. Immer mehr stehen Regierungen im Zwiespalt, ihren Bürgern einerseits funktionierende Strukturen und andererseits möglichst große Freiheiten zur individuellen Entfaltung anbieten zu müssen.
Vertrauen ist das wichtigste Gut unserer Gesellschaft. Vertrauen wurde über Jahrhunderte als kollektives Bewusstsein aufgebaut. Ist dieses Vertrauen zerstört, fallen wir in unserer gesellschaftlichen Entwicklung weit zurück.

Für die Menschen, die mein Buch zu einer Zeit lesen werden, wo Einzelheiten in Vergessenheit geraten sind, hier eine Kurzzusammenfassung der Ereignisse nach 7/11:

Die Kommunikationsleitungen waren bereits am 13. 7. 2011 wieder weitgehend funktionsfähig. Doch die Menschen hatten inzwischen andere Probleme, als zu telefonieren oder am Computer zu sitzen.

Längst war die Krise real. Kaufhäuser und Apotheken waren geplündert worden.
Die Häfen konnten keine Waren mehr aufnehmen, weil die Lagerarbeiter nicht zur Arbeit erschienen. Lebensmittel vergammelten an Bord der Schiffe.
Viele Fabriken hatten aufgehört zu produzieren, weil sie weder durch die Zulieferbetriebe Nachschub erhielten, noch in der Lage waren, auszuliefern.
Schnell entstand ein Schwarzmarkt, in dem man wie im zweiten Weltkrieg in Deutschland sich nun in den USA durch Tauschhandel über Wasser hielt.
Ausländer verließen panisch die USA. Um ein komplettes Zusammenbrechen des Flugverkehrs zu verhindern, wurden Auslandsflüge bis auf Weiteres eingestellt.
Und die Börse?….. Bis heute gilt ein ungeschriebenes Gesetz unter allen Journalisten weltweit: „Nie die Gesamtschadenssumme nennen!“

Nach wenigen Tagen merkten die Menschen, dass niemand an Vogelgrippe starb.
Weil die Regierung hierüber nicht aufgeklärt hatte, verloren manche Menschen völlig den Bezug zur Realität und jegliches Vertrauen zur Gesellschaft. Sie konnten keinem Beruf mehr nachgehen, weil sie alles hinterfragten und völlig unfähig waren, Entscheidungen zu treffen.
Dem Internet traute keiner mehr.

Gooday wurde wegen seiner immer ausgefeilteren Filtersoftware besonders in China und den noch immer vorhandenen Diktaturen Afrikas erfolgreich und konnte so den in den USA zusammenbrechenden Werbemarkt leidlich kompensieren. Frisches Geld sammelte Gooday nicht mehr ein. Ungerechter Weise wurde auch das Onlinebankkonzept abgestraft, obwohl es doch hervorragend funktioniert hatte.
Die meisten Geldgeber entzogen dem Zinssteigerungsportal das Geld. Dies war innerhalb von wenigen Tagen möglich.
Ob die hohe Zahl der Insolvenzen auf die nicht mehr bezahlbaren Kredite oder den Zusammenbruch jeglicher Infrastruktur zurückzuführen war, konnte später nicht mehr ermittelt werden.
Gleichzeitig mit Gooday siedelten über 1000 Unternehmen nach Asien um. Erst viel später wurde bekannt, dass den USA durch den Know How Verlust über 10.000 patentierte Innovationen verloren gingen – viele davon ursprünglich in Europa angemeldet. An all diesen Unternehmen war Gooday beteiligt.
Im Januar 2013 riefen die geschädigten englischsprachigen Länder das FINDERS-Konsortium um Hilfe an. Hier rechnete man sich aus, dass man in der gewünschten Geschwindigkeit nur expandieren konnte, wenn man jedem Land die Möglichkeit gab, in Lizenz die von FINDERS eingesetzten Technologien auf die Landessprache anzupassen. Die Bedingungen von FINDERS waren akzeptabel.
Zusätzlich zur Zahlung einer an die hohe Wertigkeit der Technologie angepassten Lizenzgebühr musste sich jedes Land verpflichten, die gleichen Kategorien einzuführen. Die Semantikredaktion blieb weiterhin zentral in Deutschland. Außerdem wurde die Einhaltung der FINDERS-Grundsätze „Wer? Wert? Wahr?“ von unabhängigen Landeskommissionen ständig überwacht.
Trotz Einführung der Achtcard nahm die Benutzung des Internets nur schleppend wieder zu. FINDERS war froh, nicht selbst in den USA vertreten zu sein, denn online würde lange Jahre kaum Geschäft mehr gemacht werden können. Den Lizenzeinnahmen standen zumindest keine Ausgaben gegenüber.
Onlineregistrierungen ohne Achtcard waren fast gänzlich eingestellt worden. Hier waren die Erinnerungen an den Berechtigungszettel für das Antivirusmedikament noch allzu wach. Bereits Mai 2013 führten alle Regierungsbehörden weltweit die Achtcard für die Kommunikation untereinander ein.
Jeder, der es sich leisten konnte, kaufte ein Achtcard-Gerät und benutzte nur noch das Trusted Internet.

Der weltweit führende Mobilfunkanbieter Vodafone hatte seine im Laufe der Zeit gewachsenen guten Kontakte zum FINDERS-Konsortium genutzt, um ein eigenes Betriebssystem auf Basis der Kategorien zu entwickeln. Das Handy hat inzwischen als zentrale Bedieneinheit für fast alle digitalen Aktionen Einzug gehalten.

Die Verursacher der Krise hat man bis heute nicht gefunden. Nach der Krise war kein Verantwortlicher von Human International auffindbar.
Den Onlineredakteuren konnte keinerlei Verschulden nachgewiesen werden. Ryman, wie viele andere auch, konnte glaubhaft nachweisen, dass er im guten Glauben gehandelt hatten.

Ach, fast hätte ich es vergessen!
Im Oktober 2013 zog FINDERS mit dem Hauptsitz nach Berlin um. Trotz größter Anstrengungen war es Friedrichshafen nicht möglich, genügend Platz für die schnelle Expansion des Konzerns zu bieten. Besonders der Flughafen war dem Ansturm der vielen ausländischen Besucher nicht mehr gewachsen.
Man fand eine Lösung mit hohem Symbolcharakter. FINDERS erwarb den alten Flughafen Tempelhof. Unter strengsten Umweltauflagen durften flüsterleise kleine Passagiermaschinen wieder landen. Eine schnelle U-Bahn Verbindung nach Schönefeld wurde ebenfalls eingerichtet.

Endlich war es Deutschland möglich, sich bei Amerika zu bedanken.
Danke für die Rosinenbomber. Jetzt sind wir dran.

Langeweile -irgendwo in Kalifornien – einige Wochen später, Kapitel 47, Teil II

In einem Mietwagen fuhr Frank Miller auf einer endlos geraden Straße. Er hatte einen südländischen Teint. Zu dem makellos sitzenden weißen Anzug trug er einen weißen Hut. Ein rosa Einstecktuch schmückte seine Brusttasche.

Nur durch einen Meilenstein gekennzeichnet, bog eine kleine Straße rechts ab. Miller fuhr diesen Weg nicht zum ersten Mal. Er war sich jedoch sicher, dass es das letzte Mal sein würde.
Er hatte sich im französischsprachigen Bereich Kanadas in der Nähe von Québec ein Domizil für seinen Lebensabend eingerichtet.

In der Ferne tauchte eine Farm auf. Das Tor war ungewöhnlich gut gesichert und mit Kameras ausgestattet.
Nachdem er seinen Kopf aus dem Fenster gestreckt hatte, öffnete sich das Tor automatisch mit lautem Quietschen.
Er durchfuhr eine große Parkanlage. In den letzten Jahren hatte man der Natur freien Lauf gelassen. Aus dem ursprünglich aufwändig angelegten Park war eine interessante Mischung aus Wildwuchs und Gestaltung mit Springbrunnen, Steingärten und Skulpturen entstanden.
Er hielt vor dem großen Haus.
Die Haustür öffnete sich automatisch. Im Inneren erwartete ihn alles, was Ende der 90er Jahre für viel Geld zu haben war. Die Wände schmückten Plasmabildschirme mit wechselnden Bildmotiven. Das Licht ging automatisch an, sobald er einen Raum betrat.
Ein automatischer Staubsauger sauste wie ein Ufo über den Boden. Ein Fremder hätte sich in den verschiedenen Zimmern verlaufen. Miller war kein Fremder mehr. Zu oft war er in den letzten Jahren an diesem Ort gewesen, um das weitere Vorgehen abzustimmen.
Miller betrat ein mindestens 300 qm großes Wohnzimmer.
Das Zimmer wurde von einer gigantischen Sitzlandschaft dominiert und gab den Blick zu einem großen Pool frei.
Als einziger saß in einer Ecke ein langhaariger Hippie.
Außenstehende hätten ihn für einen Einbrecher gehalten. Er hatte ein äußerst ungepflegtes Äußeres. Seine Haltung und die ihn umgebenden Flaschen ließen keinen Zweifel daran, dass er heftig dem Alkohol zugesprochen hatte.
Miller zeigte sich hierdurch in keiner Weise beeindruckt, obwohl ihm diese Szene neu war.
„Tolles Outfit. Perücke?“, fragte Miller, wie von ihm erwartet.
„Nee, angeschweißt. Für so einen Retrolook muss man schon was tun“, gab das Gegenüber mit echten glasigen Augen zurück.
„Ich bin gekommen, um unser Vorhaben abzuschließen“, kam Miller zur Sache. Er wollte seinen Aufenthalt so kurz wie möglich halten.
Vorhaben, das war der offizielle Sprachgebrauch zwischen ihnen gewesen. Beide wussten, dass dieser Begriff in keiner Weise der historischen Tragweite des Geschehenen gerecht wurde.
„Da liegt der Koffer mit dem restlichen Geld“, lallte der Hippie. Nichts deutete darauf hin, dass er einmal einer der einflussreichsten Männer der Computerbranche gewesen war.
Miller nahm den Koffer und wandte sich zum Gehen. Ein Abschiedsgruß wurde von ihm nicht erwartet.
Doch dann blieb er stehen: „Eine Frage hätte ich noch?“
„Was ne?.“
„Warum haben Sie das Vorhaben gestartet? Wenn ich das richtig sehe, haben Sie doch einige Millionen verloren, obwohl wir alle Medikamente verkauft haben.“
„Geld, Geld interessiert mich schon lange nicht mehr. Ich sitze hier und habe alles – und habe nichts.“
Sein Arm wischte einen Bogen über sein ganzes Besitztum.
Nach einer langen Pause sagte er: „Ich habe es getan, weil ich es kann.“ Er trank einen kräftigen Schluck aus seinem Whiskyglas.
„Mir ist so langweilig. Haben Sie keine Idee für ein noch größeres Vorhaben? Irgendetwas mit einer wirklich bleibenden Wirkung?“
Miller ging wortlos. Er wollte nur noch weg.
Draußen schüttelte er den Kopf.
Was für eine Welt.

Krisenstab der US-Regierung im Luftraum der USA – am gleichen Tag, 16.00 Uhr, Kapitel 46, Teil II

Airforce Number One hatte gerade abgehoben.
Randle flog zum ersten Mal in der Präsidentenmaschine. Unter anderen Umständen wäre er sehr stolz gewesen. Doch jetzt hätte er viel dafür gegeben, wenn er nicht Berater des US-Krisenstabs geworden wäre.

„Sie wollen mir also sagen, ich sitze hier und lasse alle Regierungsgeschäfte liegen, weil wir keinen Notstand haben und keine Epidemie?“
„So einfach ist das nicht, Frau Präsidentin. Alle Voraussetzungen für einen Notstand sind gegeben. Die Kommunikation ist fast vollständig zusammengebrochen. Die Krankenhäuser sind überfüllt. Von den ersten Schießereien und Plünderungen wird berichtet. Das Außenministerium kann sich vor Hilfsanfragen anderer Länder nicht retten. Wir haben keinerlei Hinweise, wer hinter diesem Anschlag steckt!“
Der Innenminister war sichtlich ins Schwitzen gekommen.

„Was raten Sie mir?“ Die Präsidentin wendete sich an Fred.
Fred Swinsteen war als erfahrener Krisenpsychologe langjähriges Mitglied des Krisenstabes.
„Es spielt keine Rolle, ob es eine Epidemie gibt oder nicht. Wichtig ist, was in den Köpfen der Menschen vor sich geht. Die ersten Reaktionen zeigen eindeutig, dass massive Präsenz von Soldaten in den Großstädten zu weiteren Eskalationen führen würde. Wo Soldaten gesehen wurden, gingen die Menschen davon aus, dass sie erschossen werden und liefen weg. Als Folge beginnen viele, sich selbst zu bewaffnen.“
„Welcher Meinung ist das Militär?“
General Rensey antwortete entschieden: „Ich kann nur 30 % der Kräfte mobilisieren, welche uns normaler Weise in einem Notstand zur Verfügung stehen würden. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass es sich um eine Krise in über 100 Ländern handelt. Wenn die Chinesen, der Nahe Osten, die Inder – technische Analysen gehen davon aus, dass die Attacke in New Delhi begann – oder die Russen dahinter stecken, dann haben diese Länder die Möglichkeit, uns mit geringstem Widerstand zu übernehmen. Wir müssen unsere Truppen auf die Verteidigung der lebenserhaltenden Infrastruktur konzentrieren. Mehr können wir nicht leisten.“
„Na, die Herren scheinen sich ja ausnahmsweise einig zu sein.“

Um 18.00 Uhr hielt die Präsidentin eine Fernsehansprache an die Nation. Sie rief nicht den Notstand aus. Andererseits widersprach sie mit keinem Wort der Nachricht, dass ein Notstand wegen Vogelgrippe ausgerufen worden sei.
Jeder einzelne Satz der Rede war von der juristischen Regierungsabteilung mehrfach überarbeitet worden.

Nur Gebäude, welche für den Erhalt der Infrastruktur unbedingt nötig waren, wie Kraftwerke, Wasserwerke, militärische Anlagen und Verwaltungsgebäude wurden durch Militär und Polizei gesichert.

Die Krisenanalyse – Pentagon – zur gleichen Zeit, Kapitel 45, Teil II

Tony Randle hatte es im Blut, an diesem Tag lief etwas schief.
Es hatte schon morgens begonnen, als er die teure Weinflasche – reserviert für den heutigen Abend mit Sarah – aus Versehen vom Tisch gestoßen hatte.
Natürlich ärgerte ihn der Verlust der teuren Flasche. Er hatte eigentlich auch keine Zeit, die Schweinerei wegzumachen. Der Wein war auf den Teppichboden und unter die Schränke gelaufen.
Das bringt es voll, dachte er, Sarah das erste Mal bei mir zu Hause und bei mir stinkt es wie in einer Kneipe.
Obwohl er nur das Nötigste beseitigt hatte und aus Verzweiflung anschließend die ganze Wohnung mit seinem Deo einsprayte, kam er hoffnungslos zu spät zur Arbeit.

Überrascht sahen ihn seine Mitarbeiter an. Sie waren es einfach nicht gewöhnt, dass ihr Chef zu spät kam.
Noch immer gestresst, setze sich Randle an seinen Arbeitsplatz.
Irgend etwas störte ihn. Schon oft war es sein untrügerischer Instinkt gewesen, der ihn eindeutig von seinen Mitarbeitern abhob.
Er checkte seine E-Mails – nichts. Er sah sich den vom Chef vom Dienst ausgestellten Nachtbericht durch – keine Besonderheiten.
Er versuchte sich zu entspannen und lehnte sich zurück.
Sein Büro erreichte man über einige Stufen aus dem großen Analyseraum für Terrorbekämpfung. Er konnte von seinem Schreibtisch aus alle 50 Arbeitsplätze sehen.
Jeder Mitarbeiter dieser Abteilung sprach mehrere Sprachen und war für die Terroranalyse von bis zu 10 Ländern zuständig.
Jeder Arbeitsplatz hatte 2 Bildschirme. Auf dem rechten wurden im regelmäßigen Wechsel neu indizierte Internetseiten mit auffälligem Kriminalitätsrank angezeigt.
Der zweite Bildschirm zeigte die aktuell vom Mitarbeiter bearbeiteten Informationen an.
Nun wusste Randle, was ihn störte. Die Frequenz des Wechsels der neu indizierten Seiten war an verschiedenen Arbeitsplätzen unterschiedlich.
Eine Verlangsamung des Wechsels war eigentlich technisch nicht möglich. Die Frequenz war auf das menschliche Auffassungsvermögen ausgerichtet und sollte zusätzlich zu den vom Rechner vorgeschlagenen Prioritäten einen Gesamteindruck der Lage vermitteln.
Der einzige Grund, warum sich die Anzeigefrequenz verringern konnte war,..
Doch das war unmöglich. Das hieße ja, es kämen weniger Dokumente rein, als angezeigt werden konnten.
Ehe er sich intensiver mit dem Problem beschäftigen konnte, kam ein wild mit einem Zettel gestikulierender Mitarbeiter auf sein Büro zu.
Der Frischling hatte gerade erst bei der Terrorismusbekämpfung angefangen.
Randle hatte seinen Namen nicht behalten.
Ohne zu klopfen, stürmte er in Randles Büro: „Vogelgrippe, 100 % Sterblichkeit.“
„Na, Na.“ Randle war sauer: „Haben Sie in Ihrer Ausbildung nichts gelernt. Es gibt keinen Krisenfall, der eine solche Aufregung rechtfertigt. Bitte werden sie wieder ruhig, konzentrieren Sie sich und überlegen genau, was Sie mir sagen wollen.“
Ehe der Frischling antworten konnte, klingelte das Telefon. „Randle“ und gleich darauf mit deutlich veränderter Stimme „Ja, Herr Direktor, wir sind informiert“. Herrisch riss er dem Frischling den Zettel aus der Hand.
„Nein, Herr Direktor, es liegen noch keine verifizierten Daten vor, wir arbeiten auf Hochtouren.“
„Nein, Herr Direktor, ich sage doch, es gibt noch keine persönliche Bestätigung von einem unserer Informanten, dass die Vogelgrippe ausgebrochen ist.“
„Sie hatten bereits einen Anruf aus London? Dann handelt es sich also um ein internationales Problem?“
„Bitte haben Sie Verständnis, ich habe einfach zu wenige Informationen, um Ihnen sagen zu können, wann eine halbwegs brauchbare Analyse möglich ist.“
Der Direktor hatte kein Verständnis. Er musste ohne Hintergrundinformationen entscheiden, ob er die Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika belästigen sollte oder nicht.

Randle checkte kurz seine E-Mails. Ja, er hatte auch eine bekommen. Er sprang auf und rannte ins Großraumbüro.
„Alle lassen alles liegen und hören mir zu! Wir stecken anscheinend in der immer befürchteten großen Virenattacke. Man erwartet von uns, so schnell wie möglich Antworten.
Gibt es einen terroristischen Hintergrund? Es gibt erste Anzeichen für einen internationalen Anschlag. Womöglich schon in einer Stunde ruft die Präsidentin persönlich an, dann brauche ich Antworten. Noch Fragen?“
Mike Condor – für den Bereich Naher Osten zuständig – fragte: „Weiß man, ob das Virus über einen Trojaner eingeschleust wurde?“
„Ich rede von Vogelgrippe, passen Sie doch auf“, antwortete Randle absolut wütend auf sich selbst. So ein Anfängerfehler hätte ihm nicht unterlaufen dürfen. Schließlich war das erste, was ein Agent lernte, sich klar auszudrücken. Weitere Fehler durften sie sich einfach nicht leisten.

Randle ging zurück in sein Büro und versuchte ruhig zu werden. Wieder fiel sein Blick auf die Bildschirme seiner Mitarbeiter. An einigen Arbeitsplätzen wechselten die Seiten in der gewohnten Frequenz. Andere Monitore zeigten einen immer langsamer werdenden Wechsel. Manche wechselten gar nicht mehr.
Was bedeutete das? Nur zwei Mitarbeiter waren für den Bereich USA zuständig. Diese Bildschirme zeigten bereits seit mehreren Minuten keinen Wechsel mehr an.
Das konnte nur bedeuten, die Suchmaschinen im Bereich USA indizierten keine Seiten mehr, oder – er wusste nicht was schlimmer war – die einzelnen Seiten wurden von den Suchmaschinen nicht mehr erreicht.
Das Pentagon verfügte über ein redundantes eigenes Netzwerk. Die wesentlichen Backbones der Welt konnten mit Vorrang vor anderen Anfragen adressiert werden. Außerdem gab es ein eigenes Kommunikationsnetzwerk zu den militärischen Kommandostellen.

Randle rief die Gruppenleiter zu sich und teilte die Aufgaben auf:
„Tim, sehen Sie den unterschiedlich schnellen Wechsel der Arbeitsplatzbildschirme? Ich möchte wissen, warum die Frequenz unterschiedlich ist und ob es ein Muster gibt, welches die Unterschiede erklärt.“
Tim verstand erst nicht, sah aus dem Fenster von Randle alle Rechner im Überblick. Dann nickte er.
„Sven, Sie überprüfen, wer den Befehl zum Notstand gegeben hat. Nicht per E-Mail! Ich möchte, dass Sie möglichst persönlich mit dem Verteidigungsminister sprechen. Warum kommt eine solche Anweisung offen über das Internet und nicht über unser VPN.“
„Oliver, Sie analysieren, wie die Lage draußen ist. Wie viele Einlieferungen haben die Krankenhäuser? Wie ist die Sterblichkeit? Ist wirklich eine Übertragung über die Luft möglich?“
„Frank sie analysieren das regionale Ausmaß der Epidemie. Sind alle Regionen der USA betroffen? Welche weiteren Länder sind betroffen?“
Dann zu allen: „Um 13.00 Uhr wieder in meinem Büro und zwar mit umfassenden Ergebnissen.“
Es war bereits 11.30 Uhr. Er wusste, einen umfassenden Bericht würde er bis 13.00 Uhr nicht erwarten können.
Irgend etwas sagte ihm jedoch, dass die Präsidentin ihn nicht länger in Ruhe lassen würde.

Um 13.00 Uhr hatten alle ihr Bestes getan. Fest stand:
· Alle englischsprachigen Länder waren betroffen,
· die skandinavischen Länder, die Länder, in denen französisch und deutsch gesprochen wird, nicht.

„Das klingt nach einem Ausschalten der Konkurrenz durch FINDERS“, Tim war ohne anzuklopfen eingetreten.
„Sagen Sie so etwas auf keinen Fall laut. Was denken Sie, was eine solche Aussage an internationalen Verwicklungen auslösen würde? So was hat schon Kriege ausgelöst!“
· Der Befehl für den Notstand kam weder vom Direktor des Heimatschutzes, noch vom Innenminister. Das war schnell geklärt. Fast alle Mitarbeiter, welche im Internet mit E-Mail-Adresse eingetragen waren oder in einem öffentlichen Firmenverzeichnis, hatten die gleiche E-Mail erhalten.
· Die Lageberichte aus den einzelnen Städten in den USA glichen sich. Das Chaos war auf den Straßen ausgebrochen. Zahlreiche Unfälle hatten ein Durchkommen auf den meisten Straßen unmöglich gemacht.
Die meisten Radiosender hatten sich kurz bei Kollegen rückversichert. Als diese die Meldung bestätigten und anschließend die Telefonleitungen zusammenbrachen, wurde in fast allen Radiosendern die E-Mail über den Ausnahmezustand vorgelesen.
· Die meisten Menschen hatten ihr Auto einfach mitten auf der Straße stehen gelassen und waren zu dem nächsten für sie erreichbaren Computer gerannt. Tatsächlich schien Human International als Einziger bestens informiert zu sein und an allen wichtigen Flughäfen mit speziell gesicherten Fahrzeugen Medikamente zu verkaufen. Zumindest von 5 Flughäfen lag eine Bestätigung vor, dass hier Medikamente verkauft wurden.
· Die Krankenhäuser meldeten alle extrem viele Neuzugänge.

„Oliver, haben Sie herausgefunden, wie viele an Vogelkrippe erkrankt sind?“
„Wollen Sie wirklich, dass ich gezielt nach Vogelgrippefällen frage? Dann bricht doch schnell eine Panik aus. So etwas ist Aufgabe der Weltgesundheitsorganisation.“
Dieser Oliver konnte einen zur Weißglut treiben mit seinen Vorschriften. Allerdings war Randle nicht lebensmüde, diese Entscheidung auf seine Kappe zu nehmen. Oliver würde im Zweifel mit seinem Vermerk über seinen Widerspruch Karriere machen und Randle könnte zukünftig in Alaska Parkbänke beaufsichtigen.
„Also gut, halten sie den Dienstweg ein. Klären Sie die Zuständigkeiten. Aber mit höchster Priorität!“
Inzwischen zeichnete sich eine Katastrophe globalen Ausmaßes ab. Über 50 Länder hatten schon das auswärtige Amt um Hilfe gebeten.
Es gab einfach kein einheitliches Bild. Er konnte unmöglich diese Ereignisse weitergeben. Immerhin würden auf Grundlage seiner Analyse weitreichende Entscheidungen gefällt.

Das Telefon klingelte: „Herr Randle, ich verbinde zur Präsidentin.“
Nicht einmal 2 Minuten später war die Präsidentin am Apparat: „Einen kurzen Lagebericht bitte.“
Randle fasste die Ereignisse kurz zusammen und argumentierte vorsichtig: „Ich kann noch keine endgültige Aussage treffen. Es ergibt sich ein absolut widersprüchliches Bild. Frau Präsidentin, ich kann noch nicht einmal sagen, wann wir den Überblick haben. Wir haben keinerlei Informationen über die üblichen Quellen wie Gesundheitsamt, Weltgesundheitsorganisation, Seuchenbekämpfung, etc. vorliegen. Nur jede Menge Anfragen zur Echtheit des E-Mails! Wenn Sie innerhalb kürzester Zeit zum Ausmaß der Vogelgrippe etwas wissen wollen, müssen wir mit den Krankenhäusern offen über eine Epidemie sprechen.“
„Und damit eine Panik auslösen?“
„Genau das ist das Risiko.“
„So weit ich derzeit die Lage einschätzen kann, ist diese Panik doch längst ausgebrochen.“
„Ja, aber wir bestätigen durch die Anfrage indirekt die Meldungen über den Ausbruch der Vogelgrippe.“
„Ich melde mich wieder.“

Randle fand, das Gespräch war gar nicht so schlecht gelaufen. Schließlich hatte er sich nach den Anweisungen der Katastrophenpläne verhalten.
Bei fast allen bekannten Katastrophen waren die Schäden an Menschen und Material durch Panikreaktionen weitaus größer, als durch die eigentliche Katastrophe.

Außerdem, keine Entscheidung war in diesem Fall für seine Karriere definitiv besser als eine falsche Entscheidung.

Der Auslöser – New Delhi – gleichzeitig, Kapitel 44, Teil II

In der verzweigten Altstadt von New Delhi gab es einen ganz besonderen Keller. Vor 50 Jahren hatte sich ein betuchter Inder in seinem Haus einen Atom-Schutzraum einrichten lassen.

Smith wurde das Objekt von den Erben des Inders über einen Makler angeboten. Während sich das Haus in einem absolut baufälligen Zustand befand, war der Schutzraum mit zwei Stromgeneratoren und Dieseltanks in ausreichender Größe, um die Generatoren mehrere Monate betreiben zu können, für Smiths Zwecke perfekt geeignet. Besonders gut fand Smith, dass der Kellerraum sich nur wenige hundert Meter vom indischen Hauptinternetknotenpunkt entfernt befand und eine Direktanbindung möglich war.
2008 kaufte er das Haus.
Insgesamt fand er über 1000 Plätze in englischsprachigen Ländern, um entweder eigene Server aufstellen zu können, oder Serverplatz zu mieten, meist mit unmittelbarer Anbindung an einen Internetknotenpunkt.

Niemand störte sich an einer solchen Anzahl von Servern. Human International Ltd. galt als gemeinnütziges Projekt und stellte inzwischen über 500.000 Premiumnutzern (insbesondere Ärzten und Gesundheitsorganisationen) aus aller Welt umfangreiche Statistiken zu der weltweiten Entwicklung von Krankheiten zur Verfügung.
Im Gegenzug stellten die Premiumnutzer nicht selbst genutzte Rechenleistung auf ihren Rechnern Human International zur Verfügung. So konnte Human International Ltd. auf eine aus 500.000 zusammengestellten Einzelrechnern basierende ungeheure Rechenleistung zurückgreifen.
Dieses Verfahren war nicht neu. Er war bereits in den 90er Jahren z.B. von seti für die Suche von extraterrestrischem Leben eingesetzt worden.
Niemals hätte sich der medizinische Redakteur auf Dhunikolhu vorstellen können, welche Reaktion er durch den Abruf der Notstandsinformation auslöste.
Im Hauptrechner in New Delhi wartete ein im Mailserver eingerichteter kleiner digitaler Agent auf den ersten Abruf der Epidemiemeldung. Bei einer Gruppe von nur 200 Personen auf einer so kleinen Insel reichte ein Abruf aus, um alle zu informieren.

Dieser Abruf löste eine Vielzahl von Aktionen auf dem Hauptrechner aus:
· Innerhalb von Sekunden wurden alle Kommunikationsverbindungen zu Dhunikolhu gekappt.
· Ein spezielles Regionalisierungsprogramm wurde auf die weltweit verstreuten 1000 Server von Human International Ltd. geladen.
· Die vorhandenen Homepages wurden durch eine für den Ausnahmezustand vorbereitete Version automatisch ersetzt.
· Das auf den einzelnen Servern installierte Regionalisierungsprogramm analysierte jede eingehende IP-Adresse auf ihre Herkunft und stellte dem Anfragenden eine automatisch generierte Seite mit passenden Informationen zu Verfügung. In New York wurde ein Schreiben des Heimatschutzdirektor angezeigt, in London des Secret Intelligence Service. Die Vogelgrippe war hiernach jeweils in der der IP-Adresse zugeordneten Region ausgebrochen.
· In den 500.000 weltweit verstreuten Rechnern wurde automatisch das Statistikprogramm durch ein Spamprogramm ersetzt. Jeder Rechner informierte 500 zu seiner Region gehörige Regierungsstellen, Verwaltungen, Sicherheitskräfte, Krankenhäuser etc. mit gefälschtem Absender der jeweils zuständigen Terrorbekämpfungsstelle über den angeblichen Ausnahmezustand, wobei alle aus digitalen Telefonbüchern übernommene Adressen wie Fax, E-Mail, SMS oder MMS (mit einem vorbereiteten Warnbild) benutzt wurden.
· Gleichzeitig wurde ein weiterer Kommunikationsserver aktiviert, der alle relevanten Behörden-E-Mail-Adressen sogenannten Blacklists als Spammer meldete.
Diesen Blacklists konnte jeder mitteilen, wenn eine bestimmte IP-Adresse Spam versendete. Ob und wie schnell die Blacklist diese Information verarbeiteten, hing von einem hierarchisch aufgebauten Autorisierungssystem ab. Normale User hatten niedrigere kleinere Priorität als Firmen. Bei der offiziellen Internetorganisation eingetragene Provider wurden bevorzugt behandelt.
Die höchste Priorität hatte die Autorisierung des Militärs der Regierungen. Immerhin war das Internet ursprünglich als Kommunikationssystem für das Militär entwickelt worden.
Der Kommunikationsserver benutzte den offiziellen Schlüssel des Militärs der USA. Bei dieser höchsten Priorität überprüften die Blacklists nicht mehr auf Plausibilität.
Der aktivierte Kommunikationsserver gab mit seinem Schlüssel der höchsten Priorität den hundert wichtigsten Blacklists weltweit die Anweisung, E-Mails von Behörden IP-Adressen als unwichtigen Spam einzustufen.
Mit diesen Blacklists glichen sich automatisch weitere Tausende von Blacklists überall in der Welt automatisch ab.
Fast jede Behörden-E-Mail wurde von den hinter den Netzwerkknoten zentral eingebauten Blacklists gefiltert und erst einmal abgelegt, um zuerst E-Mails mit höherer Priorität zu bearbeiten.
So bekamen viele Behörden erst nach Tagen die Information, dass ihre E-Mail den Empfänger nicht erreicht hatten. Andere erhielten noch nicht einmal diese Fehlermeldung, da das Netz inzwischen weitgehend wegen Überlastung zusammengebrochen war.

Der Traumjob – Malediven am gleichen Tag, Kapitel 43, Teil II

Es war wirklich nicht zu verachten, hier zu leben.
Mary war immer reiselustig gewesen. Als sie über die Anzeige der Human International Ltd. stolperte, fühlte sie sich sofort angesprochen.
„Sie sind medizinisch vorgebildet und wollen als Redakteur im weltweit führenden Gesundheitsportal für Epidemien mitwirken?
Wir garantieren ihnen einen exklusiven Arbeitsplatz mitten im Urlaubsparadies der Malediven und ein überdurchschnittliches Gehalt.“

Es machte wirklich Spaß, hier zu arbeiten. Sie betreute Portale in 50 Ländern und war hauptsächlich damit beschäftigt, Nachrichten von freiwilligen Helfern aus aller Welt zu bearbeiten und diese dann auf das Wesentliche reduziert als eigene Nachricht zu veröffentlichen. Natürlich waren sie auch an alle englischsprachigen Nachrichtenagenturen angeschlossen. Oft jedoch waren in letzter Zeit die Informationen ihrer Informanten besser als die der Nachrichtenagenturen.
Das Arbeiten auf Dhunikolhu machte richtig Spaß. Irgendwie befanden sich alle in permanenter Urlaubsstimmung. Inzwischen hatte man aufgegeben, zu fragen, wie Human International sich finanzierte. Man erfüllte die Vorgabe, das meist besuchte Portal zum Thema Epidemien im englischsprachigen Raum zu werden und Geld schien immer genug da zu sein.

An diesem Morgen saß sie mit 8 anderen Mitarbeiter in dem nach allen Seiten offenen Frühstücksraum.
Gerade lachten alle über einen schlechten Witz.
Mary sah auf und traute ihren Augen nicht. Auf dem Meer kam ein mit einem Maschinengewehr bestücktes Schnellboot mit dem Logo von Human International hinter den Stelzenbungalows hervor.
Fast gleichzeitig kam ein junger Arzt, den sie noch nicht kannte, aufgeregt mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck angerannt.
„Wir stehen unter Quarantäne“, rief er schon von Weitem.
„Was ist?“ Die anderen hatten das Schnellboot nicht gesehen und lachten unbeschwert. Dann lasen Sie:

Liebe Mitarbeiter von Human International,

es wurde auf Dhunikolhu ein Affe mit einem gefährlichen Virus gefunden.
In Absprache mit der Weltgesundheitsorganisation und der Maledivischen Regierung nehmen wir dieses Problem selbst in die Hand.

Wir müssen Ihnen mitteilen, dass Sie für 2 Wochen unter Quarantäne stehen. Nach Aussage der von uns befragten Spezialisten ist es wahrscheinlich, dass wir den Affen noch rechtzeitig isoliert haben. Trotzdem ist äußerste Vorsicht geboten. Auf Anweisung der Weltgesundheitsorganisation wurden alle Kommunikationsmöglichkeiten von und zur Insel abgeschaltet.

Bitte versuchen Sie in den zwei Wochen – natürlich von uns bezahlten – zusätzlichen Urlaub zu machen.
Schließlich befinden Sie sich an einem der schönsten Plätze der Welt.
Human International sieht immer die Menschen an erster Stelle, so akzeptieren wir diese Maßnahmen, auch wenn unsere Internetpublikationen durch diesen Vorfall einen erheblichen Schaden erleiden werden.

Mit freundlichen Grüßen

John Smith, Vorstandsvorsitzender