In der verzweigten Altstadt von New Delhi gab es einen ganz besonderen Keller. Vor 50 Jahren hatte sich ein betuchter Inder in seinem Haus einen Atom-Schutzraum einrichten lassen.
Smith wurde das Objekt von den Erben des Inders über einen Makler angeboten. Während sich das Haus in einem absolut baufälligen Zustand befand, war der Schutzraum mit zwei Stromgeneratoren und Dieseltanks in ausreichender Größe, um die Generatoren mehrere Monate betreiben zu können, für Smiths Zwecke perfekt geeignet. Besonders gut fand Smith, dass der Kellerraum sich nur wenige hundert Meter vom indischen Hauptinternetknotenpunkt entfernt befand und eine Direktanbindung möglich war.
2008 kaufte er das Haus.
Insgesamt fand er über 1000 Plätze in englischsprachigen Ländern, um entweder eigene Server aufstellen zu können, oder Serverplatz zu mieten, meist mit unmittelbarer Anbindung an einen Internetknotenpunkt.
Niemand störte sich an einer solchen Anzahl von Servern. Human International Ltd. galt als gemeinnütziges Projekt und stellte inzwischen über 500.000 Premiumnutzern (insbesondere Ärzten und Gesundheitsorganisationen) aus aller Welt umfangreiche Statistiken zu der weltweiten Entwicklung von Krankheiten zur Verfügung.
Im Gegenzug stellten die Premiumnutzer nicht selbst genutzte Rechenleistung auf ihren Rechnern Human International zur Verfügung. So konnte Human International Ltd. auf eine aus 500.000 zusammengestellten Einzelrechnern basierende ungeheure Rechenleistung zurückgreifen.
Dieses Verfahren war nicht neu. Er war bereits in den 90er Jahren z.B. von seti für die Suche von extraterrestrischem Leben eingesetzt worden.
Niemals hätte sich der medizinische Redakteur auf Dhunikolhu vorstellen können, welche Reaktion er durch den Abruf der Notstandsinformation auslöste.
Im Hauptrechner in New Delhi wartete ein im Mailserver eingerichteter kleiner digitaler Agent auf den ersten Abruf der Epidemiemeldung. Bei einer Gruppe von nur 200 Personen auf einer so kleinen Insel reichte ein Abruf aus, um alle zu informieren.
Dieser Abruf löste eine Vielzahl von Aktionen auf dem Hauptrechner aus:
· Innerhalb von Sekunden wurden alle Kommunikationsverbindungen zu Dhunikolhu gekappt.
· Ein spezielles Regionalisierungsprogramm wurde auf die weltweit verstreuten 1000 Server von Human International Ltd. geladen.
· Die vorhandenen Homepages wurden durch eine für den Ausnahmezustand vorbereitete Version automatisch ersetzt.
· Das auf den einzelnen Servern installierte Regionalisierungsprogramm analysierte jede eingehende IP-Adresse auf ihre Herkunft und stellte dem Anfragenden eine automatisch generierte Seite mit passenden Informationen zu Verfügung. In New York wurde ein Schreiben des Heimatschutzdirektor angezeigt, in London des Secret Intelligence Service. Die Vogelgrippe war hiernach jeweils in der der IP-Adresse zugeordneten Region ausgebrochen.
· In den 500.000 weltweit verstreuten Rechnern wurde automatisch das Statistikprogramm durch ein Spamprogramm ersetzt. Jeder Rechner informierte 500 zu seiner Region gehörige Regierungsstellen, Verwaltungen, Sicherheitskräfte, Krankenhäuser etc. mit gefälschtem Absender der jeweils zuständigen Terrorbekämpfungsstelle über den angeblichen Ausnahmezustand, wobei alle aus digitalen Telefonbüchern übernommene Adressen wie Fax, E-Mail, SMS oder MMS (mit einem vorbereiteten Warnbild) benutzt wurden.
· Gleichzeitig wurde ein weiterer Kommunikationsserver aktiviert, der alle relevanten Behörden-E-Mail-Adressen sogenannten Blacklists als Spammer meldete.
Diesen Blacklists konnte jeder mitteilen, wenn eine bestimmte IP-Adresse Spam versendete. Ob und wie schnell die Blacklist diese Information verarbeiteten, hing von einem hierarchisch aufgebauten Autorisierungssystem ab. Normale User hatten niedrigere kleinere Priorität als Firmen. Bei der offiziellen Internetorganisation eingetragene Provider wurden bevorzugt behandelt.
Die höchste Priorität hatte die Autorisierung des Militärs der Regierungen. Immerhin war das Internet ursprünglich als Kommunikationssystem für das Militär entwickelt worden.
Der Kommunikationsserver benutzte den offiziellen Schlüssel des Militärs der USA. Bei dieser höchsten Priorität überprüften die Blacklists nicht mehr auf Plausibilität.
Der aktivierte Kommunikationsserver gab mit seinem Schlüssel der höchsten Priorität den hundert wichtigsten Blacklists weltweit die Anweisung, E-Mails von Behörden IP-Adressen als unwichtigen Spam einzustufen.
Mit diesen Blacklists glichen sich automatisch weitere Tausende von Blacklists überall in der Welt automatisch ab.
Fast jede Behörden-E-Mail wurde von den hinter den Netzwerkknoten zentral eingebauten Blacklists gefiltert und erst einmal abgelegt, um zuerst E-Mails mit höherer Priorität zu bearbeiten.
So bekamen viele Behörden erst nach Tagen die Information, dass ihre E-Mail den Empfänger nicht erreicht hatten. Andere erhielten noch nicht einmal diese Fehlermeldung, da das Netz inzwischen weitgehend wegen Überlastung zusammengebrochen war.