Testbericht Horizon HD Recorder Box von Unitymedia

Wir sind es inzwischen gewöhnt, im Internet wird alles schneller, besser und billiger.
Seit Snowden haben wir allerdings gelernt, Oma hatte doch recht: „Kind, es gibt nichts umsonst, nicht mal den Tod!“

Vor diesem Hintergrund und als skeptischer Datenschützer verschrien, habe ich mit den neuen Horizon Rekorder genau angesehen.
Bereits lange war ich zufriedener Kunde bei Unitymedia. Der alte Rekorder hatte sicher seine kleinen Macken. Man konnte Kaffee trinken gehen, bevor er auf die Fernbedienung reagierte. Aber, wenn auch mit einiger Zeitverzögerung, er war berechenbar.


Mit unserem Schutzschirm wirst Du nicht nass!

Beim neuen Horizon Rekorder ist erst einmal alles anders. Man merkt schnell, es ist nicht eine Weiterentwicklung des alten Rekorders, sondern eine völlige Neuentwicklung mit jeder Menge Kinderkrankheiten.
Die Menüführung kommt in schickem Transparent-Design daher.

Warum als nächster Menüpunkt hinter ‚Sendung Löschen‘, ‚Festplatte Löschen‘, aufgeführt ist, kann ich nicht nachvollziehen.
Dafür muss man, wenn man eine Sendung aufnehmen will, dies extra aufwendig bestätigen. Wenn man nach dem Ansehen eine Sendung löschen will, dann muss man diese erst anhalten und dann umständlich erneut in den Rekorder gehen, um diese zu löschen.
Andererseits gibt er bei den Einstellungen der Optionen nicht einmal eine visuelle Bestätigung, geschweige denn einen Bestätigungsbutton, wenn man etwas verändert.
Mein Horizon steht im Schlafzimmer. Bei all den geheimdienstlichen Aktivitäten habe ich einen leichten Schlaf. Da kommt mir der Lüfter des Rekorders schon einmal wie ein Staubsauger vor.

Leider ist es mir trotz erheblichem Schriftverkehr und Telefonaten mit den immer freundlichen Supportern von Unitymedia nicht gelungen, mit Hilfe der sich nicht selbsterklärenden Standby Einstellungen den Rekorder in den von mir gewohnten Zustand zu versetzen. Früher, da war aus, einfach aus. Es herrschte Ruhe.
Bei der Einstellung `StandBy Modus aus‘ orgelt das System von alleine mitten in der Nacht los.
Nun darf ich in optimaler Einstellung 30 Minuten nach Beenden des Fernsehens einschlafen. Allerdings muss ich dann regelmäßig die Anwesenheitstaste bedienen. Das System gibt mir dann 180 Sekunden Zeit, bevor es automatisch in den Standby Modus geht, mitten in der Fernsehsendung, versteht sich.

Vier Sendungen sollen gleichzeitig aufzunehmen sein. Erst einmal sollte man unbedingt die Nachlaufzeit auf 30 Minuten stellen, damit der Rekorder nicht nur den halben Film aufnimmt, wenn vorher eine Sondersendung kam.
Das führt aber dazu, dass man, wenn man auf einem Sender zwei Filme hintereinander aufnimmt, den ersten Film nur halb gesehen werden kann.
Warum nur wurde der alte Rekorder nicht einfach ein wenig hardwaremäßig aufgerüstet und softwaremäßig die letzten kleinen Macken entfernt?

Vielleicht geht es ja gar nicht mehr um das Aufnehmen von Fernsehsendungen. Dies ist eher eine lästige Option, so scheint es, welche man dem Kunden lassen muss.
Neue Funktionen wie ‚ähnliche Sendungen sehen‘ muten an wie personalisierte Internetseiten und richtig, ein ähnliches Konzept scheint dahinter zu stecken.
Einen Klick weiter wird man zu den kostenpflichtigen Angeboten der Videothek geführt oder zumindest zu den Zusatzpaketen der Sender, welche man nicht gebucht hat.

O.k., diese Funktion muss man ja nicht nutzen. Konsumenten verlieren in der Reizüberflutung zwar immer mehr ihre Fähigkeit zur Selbstbestimmung, aber sie haben ja zumindest das Recht, nein zu sagen. So werden sie bei Installation auch ordentlich gefragt, ob sie denn ihre Daten zur Individualisierung ihres Angebots an Unitymedia weitergeben wollen.

Bucht man dann so ein kostenpflichtiges Zusatzpaket – in meinem Fall die HD Option –bekommt man, wenn man Werbung vorspulen will (einer der Hauptgründe, warum ich einen Rekorder benutze) – z.B. bei RTL die Meldung, dass der Sender das Vorspulen nicht erlaubt.
Ich zahle also Geld dafür, dass ich Streichhölzer in meine Augen gesetzt bekomme, um bei fixiertem Kopf die Werbung ansehen zu müssen. Nun, das Ganze hat etwas Gutes. Sollte ich in die Verlegenheit kommen, einmal das meist sowieso zu triviale Angebot dieser Sender sehen zu müssen, komme ich in den Werbepausen endlich wieder dazu, in Ruhe auf meinem Smartphones meine RSS-Feeds zu lesen.

Doch nun ist endgültig der Datenschützer wach in mir. Ich verzichte, die so totalitär Werbetreibenden auf einer persönlichen Negativliste nach dem Motto ‚Hier kaufe ich auf keinen Fall mehr‘ zu vermerken und wende mich dem Intranetkonzept des Systems zu.
Ich stelle fest, dass der Rekorder möglichst alle meine persönlichen Daten – auch die von meinem Smartphone oder Computer- integrieren möchte, mich selbst jedoch nicht auf seine Daten sehen lässt. Es erscheint mir plausibel, dass mein mehrstufiger Firewallschutz umgangen wird, wenn ich in den Rekorder, der direkt über Koaxkabel mit der Onlinewelt verbunden ist, mein Intranet integriere. Auch glaube ich nicht, dass der Rekorder optimal funktioniert, ohne eine Profildatei auf seiner Festplatte abzulegen.
Diese Datei würde ich gerne sehen. Ein direkter Zugriff auf die Festplatte des Rekorders über meinen Computer wird mir nicht gestattet.

Ich habe nicht die Erlaubnis gegeben, dass meine Daten von Unitymedia verwendet werden, gegen die Erzeugung und unerlaubte Verwendung durch Dritte – so etwas soll es ja schon gegeben haben – spricht hier allerdings nichts.
Aber ich möchte nicht unfair sein. Schließlich bin ich nur so ein übertriebener Datenschützer.
Deshalb habe ich Unitymedia gefragt. Bitte lesen Sie in Anlage meine Fragen und die technisch fundierten Antworten:

Meine Fragen:
1. Meine Frage in meinem ersten Schreiben zu der Standby Einstellung konnte durch das Handbuch nur so beantwortet werden, dass ich davon ausgehe, dass es sich um keinen Fehler handelt, sondern um eine bewusste Programmierung, wenn ich in regelmäßigen Abständen das Abschalten in den Standby Modus durch Anklicken verhindern muss. Ich habe den Standby-Modus auf 30 Minuten eingestellt. Das bedeutet ja schon, dass ich 30 Minuten Staubsauger ertragen muss, bis das System Ruhe gibt. Es soll durch das Nachfragen wohl erreicht werden, dass ich den Standby-Modus möglichst lange einstelle, damit möglichst lange auf meine Daten zugegriffen werden kann. Hier stellt sich mir dann die Frage, welchen Vorteil ein permanenter Zugriff auf die Daten haben kann. Hiermit komme ich zu Punkt 2.
2. Wenn ich den Horizon Rekorder über LAN (oder WLAN) anschließe, soll ich ihm möglichst Zugriff auf alle Geräte im Intranet freigeben. Andererseits ist es mir bisher nicht gelungen, selbst auf die Festplatte über die beim Horizon angegebenen IP-Adresse zuzugreifen. Es ist allgemein bekannt, dass sich Provider wie Unitymedia nicht vor dem Zugriff der Geheimdienste schützen können. Kann es sein, dass selbst eine mehrstufige LAN-Firewall, wie sie bei mir installiert ist, für Geheimdienste dadurch ausgeschaltet werden kann, dass der Rekorder einerseits direkt auf mein Intranet zugreifen und andererseits über Koax meine Firewalls umgehen kann?
3. Die Frage, ob Profildaten auf meinem Rekorder ohne meine Zustimmung gespeichert werden und welche, blieb bisher unbeantwortet. Da bereits von Fernsehherstellern bekannt ist, dass solche Daten kommerziell verwertet wurden, ist diese Frage von höchster Relevanz.
4. Mein System wurde jetzt auf HD Option umgestellt. Kann es sein, dass ich bei HD im Gegensatz zu den normalen Sendern Werbung nicht mehr vorspulen kann? Ober anders formuliert, zahle ich dafür Geld, dass ich mich jetzt gegen unerwünschte Werbung nicht mehr wehren kann? In diesem Zusammenhang habe ich versucht, während der Werbung den Sender zu wechseln. Das führte dazu, dass der Rekorder auf die Fernbedienung nicht mehr reagierte und nur noch Werbung abspielte. Ich musste den Rekorder vom Strom trennen, um danach noch etwas anderes als Werbung sehen zu können. Die Durchklickraten für Werbung im Internet gehen permanent zurück. Meinen Sie wirklich, so verkaufen ihre Werbekunden Produkte?

Antwort von Unitymedia:
Standby-Abfrage Änderung oder deaktivieren
Sie können über das Menü unter den Menüpunkten, Optionen – Einstellungen- Box-Einstellungen –
Standby-Einstellungen – Auto Standby Modus, die Einstellungen vollständig
deaktivieren, bitte stellen Sie hierzu die Einstellung auf „Aus“.
Möchten Sie nicht auf die Funktion verzichten, stellen Sie unter den Menüpunkt- „Auto-Standby nach“
eine höhere Zeit als 30. Min ein (empfohlen wird die höchstmögliche Zeit von 240 min.)

Anfrage zur Sicherheit & Firewall
Der Horizon Recorder obliegt den aktuellen und höchsten Sicherheitsstandard. Ein Zugriff auf private
und sensible Daten ist somit nicht ohne weiteres möglich.
Bei Installation werden Sie gefragt ob Sie damit einverstanden sind, dass Unitymedia Ihre Daten zur
Marktforschung erhebt. Sie haben die Möglichkeit hier auszuwählen, dass Sie damit nicht
einverstanden sind. Sollten Sie diesem zugestimmt haben, teilen wir Ihnen folgendes dazu mit:
Die Daten, die Unitymedia durch die Nutzung von Horizon erhalten, werden nicht an
Marktforschungsunternehmen zu deren eigenen Zwecken weitergegeben.
Vielmehr erfolgt die Verwendung zu Marktforschungszwecken durch uns selbst bzw. durch von uns
beauftragte Unternehmen. Die hierzu von uns beauftragten Unternehmen werden dann durch eine
Vereinbarung nach § 11 BDSG verpflichtet, auf Grund dieser die beauftragten Unternehmen
umfangreiche technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten
umzusetzen haben, was von uns auch vorab und regelmäßig kontrolliert wird. Gemäß § 11 Abs. 3
BDSG sind derartige Auftragnehmer bereits gesetzlich (von uns aber auch vertraglich) verpflichtet,
nur Daten ausschließlich im Rahmen unserer Weisungen zu erheben, zu verarbeiten und zu nutzen.
Aus Lizenzrechtlichen Gründen ist kein Zugriff von außen oder auch im eignen Heimnetzwerk auf die
Festplatte des Horizon Recorders möglich.

Geplante Aufnahmen
Sollten Sie feststellen das Ihre geplanten Aufnahmen nicht vollständig aufgezeichnet wurden, können
Sie unter den Menüpunkten – Optionen – Einstellungen – Aufnahmen – Aufnahmeeinstellungen den
Puffer vor oder nach Sendungen festlegen.

Frohe Weihnachten und Mut zur Selbstbestimmung im Jahr 2014

Liebe Leser,

gestern gab es die letzte Leseprobe zu meinem Manuskript 6/11.

Zu Weihnachten möchte ich Ihnen einen neuen Punkt in ihrer Prioritätenliste schenken.
Sie sind mit diesem Jahr zufrieden? Die Wirtschaft hat gebrummt. So soll es auch bleiben.

Am Rande haben Sie von diesem Snowden und diesem Abhörskandal gehört, genau so wie von Überschwemmungen und Stürmen. Sie betraf das nicht, weil Sie in einem Haus mit starken Mauern und einem guten Dach leben.
Und sollte es doch einmal hereinregnen, gibt es Handwerker, die es richten und eine Versicherung, die es bezahlt.
Sie sind kein Statiker und doch wissen Sie genau, wie ein Haus aussehen muss, das Sie vor Sturm und Regen beschützt.

Stellen Sie sich einmal vor, Sie sitzen mitten auf einer Wiese im Regen. Sie können sich nicht vorstellen, was ein Haus ist. Permanent kommen Leute zu Ihnen und sagen Ihnen, Sie sollen das eine oder andere tun. Sie trauen diesen Leuten nicht, denn andere Leute haben Ihnen gesagt, diese Leute wollen nur Ihr Geld haben.
Da werden Sie doch lieber nass und riskieren eine Grippe.

Mit der derzeitigen Situation durch Abhören und Onlinemanipulationen verhält es sich genau so. Nur, Sie holen sich keine Grippe, sondern eine schlimme Genkrankheit, die Sie an Generationen Ihrer Nachfahren vererben werden.

Ihr Land hat bereits einen Krieg verloren, ohne überhaupt gemerkt zu haben, dass es ihn gegeben hat. So wie jedes Land in der Geschichte, dessen komplette Kommunikation abgehört wird, ist Ihr Land besetzt.
Es hilft nur noch der organisierte Widerstand. Hierfür braucht man Mut und Verständnis.

Mut ist bei uns derzeit Mangelware. Ausgerechnet aus den USA müssen wir uns von einem Bundesrichter zeigen lassen, wie Mut funktioniert, siehe http://www.infranken.de/ueberregional/NSA-Datensammelwut-war-gegen-US-Verfassung;art55462,595244 .

Ich vertraue auf Ihren Mut, wenn das Verständnis da ist.
Viel zu wenig wird aus meiner Sicht derzeit getan, damit Sie als Laie verstehen, welche Wände und welches Dach Sie brauchen, um sich vor den Bedrohungen des Internets zu schützen.

Ich verstehe, dass Sie hierzu Ihre wenige Freizeit opfern müssen. Aus diesem Grund biete ich Ihnen kein Fachbuch zu diesem Thema an, sondern spannende Unterhaltung.

‚7/11 Insiderstory des Wandels in Deutschland von 1999 bis 2015’ gibt es als redigierte Hardcover-Zweitauflage im Frühjahr im Buchhandel. Hier erhalten Sie in einer fiktiver Story nur einen Schmetterlingsschlag von unserer Realität entfernt die Grundlagen dafür, um sich mit konkurierenden Internetentwicklungen kritisch auseinander setzen zu können.

‚6/11 Global Spy Pact Quadrilla X 2013 bis 2020’ gibt Ihnen einen Überblick, was es für Sie und Ihre Kinder, für Ihre Selbstbestimmung, aber auch für Ihr Vermögen und jegliche Berechenbarkeit Ihrer Zukunft bedeutet, wenn Sie nicht als Konsument das Bedürfnis definieren, wie Ihr sicheres Haus in der Onlinewelt aussehen muss.

‚Bis März 2014 schreibe ich ‚5/11 Der globale WEB-Widerstand’. Hier erfahren Sie, welche Möglichkeiten es gibt, eine sichere Onlinewelt zu bauen. Die Onlinehäuser können so gebaut werden, dass Sie bewerten und kontrollieren können, ob die Wände dick genug gegen den Sturm und das Dach dicht gegen den Regen ist.

Auch diese Bücher werden noch in 2014 erscheinen. Ich schreibe derzeit so schnell, dass ich die Verlage massiv unter Zeitdruck setze, mit der Erstellung und Markteinführung der Manuskripte in Form von professionellen Büchern nachzukommen.

Ich verstehe mich nicht nur als Autor, sondern bewerbe mich als ernsthafter Ideengeber mit meinen Patentanmeldungen beim Deutschen IT-Sicherheitspreis 2014.

2014 wird das Schicksalsjahr unserer Demokratie und Verfassungsrechte. Wir können nach Snowden nicht mehr sagen, dass wir keine Krankheit bekommen, wenn wir im Online-Regen bleiben.
Nach meinen Büchern können Sie nicht mehr sagen, dass die Dinge zu komplex und global sind, um etwas zu ändern. Die globalisierte Wirschaft und die global gebundenen Politikern werden Ihnen keine sicheren Onlinehäuser bauen. Nur wenn Sie als Konsument Ihrer TO-DO-Liste für das neue Jahr ‚Verständnis eines Trusted WEB 4.0’ als Priorität hinzufügen, sind Sie für die Zukunft gerüstet.

Ihr Olaf Berberich
Nachtrag 2022: 2014 habe ich letztendlich keinen Verlag gefunden, der das Thema drucken wollte. zu viele Bücher waren nach den Snowden Enthüllungen zu diesem Thema bereist veröffentlicht worden. Ich lasse die alten Blockartikel stehen, um die Autentizität meiner in 2022 bei Amazon zuerst in Englischer Sprache veröffentlichten Buchreihe zu untermauern, siehe https://www.amazon.de/dp/B09X7FJQ4F

6/11 Der Opportunist – Moskau, Mi, 22. November 2017

Er wartet am Flughafen Domodedovo am Gepäckausgabeband.

Zu viele Flughäfen hat er schon gesehen. Alle Gepäckausgaben ähneln sich.
Auch wenn sie modern ist, so lässt sich doch die sozialistische Vergangenheit nicht leugnen. Alles ist in beige gehalten. Als Zugeständnis an modernes Design hat man es mit der Auflockerung des Bodens durch braune und hellgraue Kacheln gut gemeint. Doch alles wirkt so planmäßig gleichgestaltet.
Vor allem jedoch hat man die metallenen Lüftungsschächte nur weiß gestrichen, aber nicht verkleidet.

Er ist so viel geflogen, dass er mit kurzem Augenöffnen genau sagen kann, auf welchem Flughafen er sich befindet, oder zumindest in welchem Land.

Die kyrillische Schrift ist ihm nicht unbekannt. Schließlich ist er in der DDR groß geworden und hat auch hier noch promoviert.

Damals hat man an etwas geglaubt und sich eingesetzt. Doch dann haben die anderen gesagt, dass alles falsch war, an was man geglaubt hat.

Er hatte beschlossen, nicht mehr zu glauben, sondern erfolgreich zu sein.
Er hat es als Ingenieur für Maschinenbau bis zum Abteilungsleiter Vertrieb gebracht und viele Aufträge für große Industrieanlagen im Ausland bekommen.
Nun ist er sechzig und möchte unbedingt bis fünfundsechzig noch durchhalten.

Viele Jahre war er eingesperrt hinter der Mauer. Immer hatte er vom Reisen geträumt. Nicht nur nach Moskau. Da konnte er auch schon vorher hin. Jetzt ist er mehr gereist, als er sich für sein Leben erträumt hat.

Er hat nie Fehler gemacht. Die hat er andere machen lassen.

Immer wieder musste er für sein Privatleben Kompromisse akzeptieren.

Mehrfach ist er umgezogen. Kaum hatte er ein Haus gebaut, da brauchte ihn die Firma wieder in einer anderen Niederlassung.

Nachdem die Kinder aus dem Haus waren, wollte seine Frau nicht mehr umziehen. Gelegentlich besucht sie ihn auf seinen Reisen. Wenn es ihre Depressionen zulassen.
Außer einem Magengeschwür ist er kerngesund.

Trotzdem wird es immer schwerer für ihn, nicht von den jungen Kollegen verdrängt zu werden.

Abteilungsleiter ist er schon lange nicht mehr.
Man hat ihm als Projektleiter den Auftrag gegeben, ein Projekt in Ramenki zu übernehmen. Er hatte es bekommen, weil keiner von den Erfahrenen da hin wollte und nur er gut russisch spricht.

Die Vertragsunterschrift wäre nur noch Formsache, hatte man ihm gesagt.
Seit 6 Monaten kämpft er jetzt um diese Unterschrift.
Im letzten Moment tauchte ein asiatischer Konkurrent auf.

Seit dem lief alles schief. Mal war er auf den falschen Flug gebucht und verpasste einen wichtigen Verhandlungstermin.

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6/11 Überlebenskampf – Venlo, Mo,16. Oktober 2017

Wie immer geht Volker Siemens zur gleichen Zeit wie Antje zur Arbeit.

Nach einem kurzen Frühstück und einem Abschiedskuss geht Antje zur Tür heraus. Sie fährt in die Firma, in der sie es inzwischen zur Projektleiterin geschafft hat.

Volker geht die 3 Meter vom Küchentisch zum Schreibtisch und schaltet seinen Rechner an.

Es gab noch immer keinen neuen Strafprozess. Durch Antjes besseres Gehalt könnten sie es sich inzwischen leisten, aus dem Anbau auszuziehen.

Aber man weiß ja nie, was der Justiz noch so alles einfällt. Schließlich hat Volker noch immer nicht seinen Freispruch. Er hatte seinen neuen Anwalt gefragt, ob man das nicht beschleunigen könnte.

„Je länger ein Prozess dauert, um so besser für das Strafmaß“, hatte der Anwalt geantwortet. „Wir gehen doch vom Freispruch aus, nicht war.“

Volker hat inzwischen selbst die ungarische Programmierung weiterentwickelt. Über ein TCPTraceroute – Programm ermittelt er, welche Wege ein R-Fax über das Internet nehmen kann.
Der Anwender soll sich nicht mit Technik beschäftigen müssen. Wichtig ist für Volker der Leitsatz ‚Trusted WEB 4.0 ist sehen und nicht glauben’.

Er möchte dem Anwender die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, über welche Server er seine Daten zu einem Ziel schicken will.
Volker hat die Idee, dass Anwender auch selbst Rechner zur Verfügung stellen können, um zu verhindern, dass die Daten über einen zentralen Netzwerkknoten laufen müssen. Ein Knoten bedeutet, dass es für wen auch immer eine zentrale Stelle gibt, wo alles durch muss und die man auch zentral abhören kann.

So funktioniert Volkers Programm:
Der Anwender – nennen wir ihn Herr Muster – schreibt ein R-Fax z.B. ‚Ich finde dich sehr sexy’.
Er möchte nicht, dass Dritte wissen, wen er sexy findet.

Das R-Fax möchte er von München nach Nürnberg schicken.
Also markiert er das Wort „sexy“ und klickt auf ein Kartensymbol.
Es öffnet sich eine Landkarte, welche verschiedene mögliche Wege anzeigt. Die meisten Wege führen über Frankfurt, weil hier der große deutsche Netzknoten die Netze der einzelnen Provider verbindet.

‚So ein Unsinn’, denkt Herr Muster. ‚Ich fahre doch auch mit dem Auto nicht von München über Frankfurt nach Nürnberg, nur weil die in Frankfurt mehrspurige Autobahnen haben’.
Genau so arbeitet aber heute das Internet.

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6/11 Osterkonspiration – Müggelsee, Do,13. April 2017

Die Beziehung zwischen Brigitte und mir hat in den letzten zwei Jahren gelitten.

Brigitte merkt, dass ich ihr etwas verschweige. Aber ich bin sicher, dass ich mich richtig verhalten habe.
Immerhin habe ich ihr zwei weitere unbeschwerte Jahre ermöglicht. Ich weiß, Brigitte hätte sich sonst genau wie ich verändert.

Es hat mich viel Kraft gekostet, Brigitte nichts von meinem ständig steigenden Misstrauen merken zu lassen. Mich stören die vielen Leute bei den zahllosen Einladungen von Brigitte in unserem Haus.
Erst letzte Woche hatte ich völlig überreagiert, als sich ein Gast, der wohl die Toilette suchte, in mein Arbeitszimmer verirrt hatte.

Vor einigen Monaten sprach Brigitte mich offensiv an, ob ich eine andere haben würde. Ich wäre so abweisend. Ich nahm sie damals ganz fest in den Arm und küsste sie. Aber gesagt habe ich nichts.
‚So konnte es nicht weiter gehen. Brigitte hatte mir schon lange keines ihrer verschiedenen Lächeln mehr geschenkt.’

Heute Abend habe ich einmal zu einer Gesellschaft eingeladen. Es kommen Maya und Max, Shaona – die nach einer einjährigen Auszeit wieder Vertriebsdirektorin bei FINDERS ist – mit ihrem Mann Joan und Isabella mit ihrem Mann Levis.

Als ich letzte Woche Brigitte davon erzählte, war sie direkt begeistert: „Oh, da freue ich mich. Endlich lädst du auch mal deine Freunde ein. Immer verkriechst Du dich nur in dein Arbeitszimmer. Lass mich auch ein paar Nachbarn einladen. So oft haben wir ja nicht Besuch aus New York. Wie lange habe ich Isabella nicht mehr gesehen!“

„Brigitte, bitte, es gibt einen Grund, warum ich genau diese Gruppe einlade. Ich verspreche Dir, dann wirst Du verstehen, warum ich in letzter Zeit so, na ja, anders war.“

Brigitte sah mich scharf an. Schlagartig war die Vorfreude vergangen.
Wenn es etwas mit meiner Veränderung zu tun hatte, wollte sie es eigentlich gar nicht wissen.

Brigitte ahnt wohl instinktiv, dass ich sie in den letzten beiden Jahre schützen wollte. Sie hat jedenfalls nach diesem Gespräch nicht mehr nachgefragt und ich bin ihr dankbar dafür. Es wird mich genügend Kraft kosten, das Thema einmal anzusprechen.

Ich gehe in mein Arbeitszimmer und lege die Hand auf eine Bodenplatte.

Eine 1,5m x 1,5m große Steinplatte hebt sich leicht an und schwebt mit einem Luftkissen wie bei einem Luftkissenboot seitlich auf eine weitere Platte. Als sie genau über der anderen Platte schwebt, senkt sie sich ganz langsam auf vier Füße ab.
Keiner würde auf die Idee kommen, dass der Safe über eine so große Platte erreichbar ist. Schließlich wäre es ein erheblicher körperlicher Aufwand, die Platte zur Seite zu schieben. Außerdem würden sich im Laufe der Zeit bei jeder anderen Konstruktion Kratzspuren zeigen.

Der Safe ist nur 40cm tief. Es war aufwendig genug, im Tiefgeschoss die Ausbuchtung durch die hier installierte Lüftungsanlage zu kaschieren.
Brigitte kennt zwar den Tresor. Aber sie hatte nie Ambitionen gezeigt, diese verrückte Technik zu benutzen. So ist nur meine Hand in das biometrische Erkennungsprogramm eingegeben.

Zusätzlich zu dem Manuskript aus dem Umschlag sind inzwischen viele Seiten von mir dazu gekommen.

Einmal in der Woche wird unser gesamtes Haus von Abhörspezialisten gescannt, einer der vielen Vorzüge, welche ich als Aufsichtsrat genieße. Es ist also unwahrscheinlich, dass ich abgehört werden.

Ich habe mir aus meinem Notebook alle Funkanschlüsse herausbauen lassen. So kann ich sicher sein, dass es niemand abhört. Auch das Notebook lasse ich immer im Safe, wenn ich nicht an dem Buch arbeite.

Manchmal, wenn Brigitte wieder eine Veranstaltung in unserem Hause hat, nehme ich heimlich das Notebook in die kleine Motorjacht an unserem Steg. Diese hatten wir uns vor einem Jahr zugelegt. Ich fahre dann irgendwo hin, wo ich unbemerkt bin. Mein Lieblingsplatz ist an Köpenick vorbei an der Dahme.

Heute habe ich über einen Stick die Daten auf meinen normalen Rechner übertragen. Der Drucker rattert und produziert 8 Exemplare.

Um 15.00 Uhr kommen Maya und Max. Sie sind gespannt auf die Eröffnung, die ich ihnen machen möchte. Auch Brigitte passt auf, dass sei kein Wort verpasst.

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6/11 Opfer unter sich – Niederrhein, Fr, 27. Mai 2016

Der Anwalt öffnet Volker schuldbewusst und erzählt zum ersten Mal über sich.

„Ich war Vorstand in einer karitativen Einrichtung. Da habe ich dann auch einige Mitarbeiter rechtlich beraten und Geld dafür genommen. Dafür haben sie mich verurteilt. Ich habe nicht gegen das Gesetz verstoßen.“

Volker wie immer dabei, sich für andere einzusetzen: „Herr Anwalt, wie oft habe ich ihnen gesagt, dass bei meiner Insolvenz was nicht stimmt. Das ist irgendwie politisch oder so, aber es stimmt ganz und gar nicht.
Und Sie sind nun das nächste Opfer.“

Zum ersten Mal gibt ihm der Anwalt recht: “Ja das kann sein. Ich weiß überhaupt nicht, wer mich angezeigt hat. Das war doch nur eine Sache zwischen den Mitar-beitern und mir. Wenn sie sehen, was sich der neue Vorstand alles erlaubt, das ist wirklich strafbar. Ich hoffe, es war bei der Berufungsverhandlung keine Presse da?“

Volker überlegt nur, na dann hatte sein Anwalt ja schon Probleme, als der den Kompromiss des Richters für den Schadensersatz unterstützt hat. Vielleicht hätte er sonst einen besseren Vergleich ausgehandelt. Aber Volker ist dem Anwalt nicht böse.
‚Irgend jemandem bin ich auf die Füße getreten und der Anwalt muss nun dafür büßen’, denkt er.

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6/11 Die abwesende Gerechtigkeit – Niederrhein, Do, 27. Mai 2016

8.30 Uhr. Der Gerichtssaal der Kleinen Strafkammer bietet für ca. 50 Besucher Platz. Doch der Saal ist leer. Niemand interessiert sich für die Berufungsverhandlung von Volker Siemens.

Nur seine Frau Antje sitzt auf der Besucherbank.

Jetzt wird alles gut, signalisiert sie noch einmal und macht den Daumen hoch.

Beide haben eine sehr harte Zeit hinter sich. Volker konnte seit der Insolvenz gar nicht mehr an Arbeit denken, so war er beschäftigt, mit der Abwehr von Schadensersatz und Strafe.
Die Staatsanwaltschaft klagte an, wegen Betrug und Untreue und bereits wenige Monate nach der Insolvenz wurde Volker Siemens in einem ersten Prozess wegen Untreue zu 1 Jahr auf Bewährung verurteilt.
Laut Anklage hatte er sich öffentliche Mittel unter falschen Vorgaben erschlichen. Besonders relevant war der Punkt, dass er das Ausbildungsgeld für den Azubi Fanki nicht mehr ausgezahlt hatte, obwohl dies bereits im Rahmen der öffentlichen Mittel überwiesen worden war.
Volker hatte sich darüber keine Gedanken gemacht, schließlich hatte er einen Widerrufsbescheid erhalten, der die Auszahlung ausdrücklich verboten hat. Schließlich wurden alle Mittel zurückgefordert.
Auch hatte er die Sache ja dem Insolvenzverwalter übergeben und es wäre genug Geld auf dem Konto gewesen, dass der Insolvenzverwalter das Ausbildungsgeld hätte bezahlen können.

Für Volkers Anwalt kam die Verurteilung im April 2015 völlig überraschend. Er sagte nur:“ Hier soll wohl ein Sündenbock für die Stadt Nrheinstadt gesucht werden!“
Ein Schöffe hatte wohl gar nicht verstanden, wofür Volker verurteilt worden war und ein schlechtes Gewissen, dass er sich gegen die Richter nicht durchge-setzt hatte. Jedenfalls kam er zu Volker und sagte: „Auf Wiedersehen, das nächste mal hoffentlich bei einem Bier.“

Noch während der dreitägigen Strafverhandlung stellte die Stadt Nrheinstadt Volker eine Schadensersatzforderung wegen Rufmord in Höhe von 100.000,- Euro zu.
Sowohl der Anwalt von Volker, als auch die Staatsanwaltschaft, legten Beru-fung im Strafverfahren ein. Die Staatsanwaltschaft wollte Gefängnis ohne Bewährung.

Im Mai 2015 wurde Antje zu 5 Monaten Strafe auf Bewährung verurteilt. Der Richter hatte zugunsten von Antje bei diesem eindeutigen Fall entschieden.


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6/11 Familientreffen – Müggelsee, So, 6. September 2015

So gut wie zuhause in unserem alten Mahagoni-Bett hatte ich schon lange nicht mehr geschlafen.

Brigitte schreckt hoch: „Ole, es ist schon 11.00 Uhr. Die Kinder kommen doch schon um 12.00 Uhr.

Als wir das Haus gebaut haben, waren wir von Anfang an in einer Sache einig: Wir wollten kein Hauspersonal haben.
Daran würden wir uns nicht mehr gewöhnen. Der einzige Ausweg war die totale Hausautomatisation.
Wir bekommen von den FINDERS Labs jegliche Unterstützung. Im Gegenzug fühlen wir uns aber manchmal ein wenig wie Versuchskaninchen.

Brigitte geht an einen der großen Kühlschränke, die in der Küche an der Wand zur Straße stehen. Sie hatte letzte Woche beim Lieferanten für heute ein Frühstück für 4 Personen bestellt. Die Kühlschränke verfügen über eine Beschickungsklappe von außen. Hierfür hat unser Lieferant einen Schlüssel.
Alles muss durch die 20 cm hohe und 50 cm breite Öffnung passen.
Die Lebensmittel sind mit RFID Etiketten versehen, so dass der Kühlschrank genau weiß, welche Inhalte verfügbar sind.

Daneben gibt es einen Warmhalteschrank, der ebenfalls mit RFOD Etiketten und einer Beschickungsklappe von außen versehen ist.

Brigitte holt 4 große Kühlhalteboxen aus dem Kühlschrank und 4 Warmhalte-boxen aus dem Warmhalteschrank.
Er gibt frische Brötchen und frischen Aufschnitt. Für Müsli wurde geschnittenes Obst und frische Milch zur Verfügung gestellt. Für Max gibt es gemäß Profil ein Croissant. Eier mit Speck sind für die Mikrowelle vorbereitet.

Brigitte sieht auf dem Kühlschankdisplay den Lieferzeitpunkt nach: Heute 11.15 Uhr.
„Na, seit dem die Bäcker in die Lieferlogistik eingebunden sind, klappt das ja mit der frischen Ware.“, meint sie zufrieden.

Um kurz nach 12.00 Uhr ist die Eingangstür zu hören. Es erklingt Bass Jazz. Gleichzeitig fängt der Getränkeautomat an zu arbeiten.
Er schiebt drei Tassen und ein Glas, komplett mit Unterteller und Löffel und einer Beschriftung heraus. Man hört im Inneren das Klacken, wenn eine Kapsel gewechselt wird.

Ein grüner Tee für Brigitte, ein Cappuccino für mich, ein Latte macchiato für Maya und ein Espresso für Max.

Maya und Max sind zusammen gekommen.
Alle umarmen sich überschwänglich.

„Man bist du braun, Papa“, Maya gibt mir einen dicken Kuss.

„Na, hattet ihr gestern wieder euren Meeresabend“, fragt Max und schnuppert in die Luft.

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Redtube.com – Provoziert Spiegel.de Spamwelle?

Im Artikel vom 9.12.2013 „Redtube.com: Massenabmahnungen wegen Porno-Stream“ siehe http://www.spiegel.de/netzwelt/web/porno-seite-redtube-abmahnungen-gegen-viele-nutzer-a-938077.html berichtet der Spiegel von einer Abmahnwelle der Rechtsanwälte Urmann und Collegen wegen unerlaubtem Videostreaming.

Heute nun bekomme ich angeblich von diesen Rechtsanwälten eine Mail. Tatsächlich ist der Absender 3479-579@online.de . Meine angebliche IP-Adresse liegt ingendwo in Russland.

Ich kann nur dringend raten, den Anhang der Mail nicht zu öffnen. Die Verseuchung Ihres Rechners wäre wahrscheinlich.

6/11 Die Heimkehrer – Berlin, Müggelsee, Sa, 5. September 2015

Ich bin müde vom langen Flug. Mit 58 Jahren steckt man das nicht mehr ganz so leicht weg.

Ich öffne die große hölzerne Flügeltür, die bis zur Decke des Erdgeschosses geht, mit der Schlüsselseite meiner Achtcard. Noch immer habe ich mich an das schöne Haus am Müggelseedamm nicht richtig gewöhnt.

Meine Frau Brigitte und ich waren zusammen mit FINDERS Anfang 2013 nach Berlin umgezogen und sesshaft geworden.

Intern stand bereits Mitte 2011 der Umzug von FINDERS nach Berlin fest. Der Umbau vom Flughafen Tempelhof als FINDERS Konzernzentrale bis Januar 2013 war äußerst ambitioniert gewesen. Aber es hatte geklappt, weil es einfach klappen musste. Der Standort Friedrichshafen platzte aus allen Nähten.

Man sollte also meinen, es wäre kein Problem gewesen, ein Einfamilienhaus in der gleichen Zeit zu bauen. Doch dieses Haus war eine ernste Belastungsprobe für unsere Beziehung. Ich hatte Mitte 2012 meinen Kindern Maya und Max die Kategorienagentur für den Bereich Schuhe überlassen, weil ich mich ganz um das Haus kümmern wollte. Auch wurde ich ständig bedrängt, ein Buch zu 7/11 zu schreiben.

Brigitte pochte auf ihr Recht, endlich gesellschaftlich so eingebunden zu sein, wie es die vielen Jahre auf dem Schiff nicht möglich gewesen war.

Wenn ich ehrlich zu mir bin, dann hatte ich das ständige Unterwegssein, wenn auch mit dem ganzen Zuhause, zuletzt auch ziemlich satt. Wir haben im letzten Jahr auf dem Schiff den Liegeplatz fast nicht mehr gewechselt.

Relativ einfach war es, mit unserem doch inzwischen beträchtlichen Vermögen ein Grundstück am See und gleichzeitig zentral in Berlin zu kaufen.
Das Grundstück liegt auf dem Hügel über dem Müggelsee und reicht den ganzen Hang herunter bis zu einem eigenen Anleger.

Über zwei Monate waren wir mit unserem alten 33 Meter langen Kohleschiff von Frankreich über Mosel, Rhein, Dortmund-Ems-Kanal, Mittellandkanal, Elbe-Seitenkanal unterwegs, bevor wir vor unserem Grundstück am Müggelsee Anker warfen. Das alles ging natürlich nicht ohne Einfluss und Sondergenehmigungen. Auch beschwerten sich die wohlhabenden Nachbarn beim Ordnungsamt, über den die Aussicht nicht verschönernden alten Kahn.
Doch als sie erfuhren, wer da vor Anker gegangen war, änderte sich die Stimmung schlagartig.
Ich wurde als Urgestein von FINDERS ständig gedrängt, Interviews zu geben. Inzwischen war ich ein regelmäßiger Kommentator zur durch 7/11 ausgelösten „englischen Krise“, die noch viele Jahre Einfluss auf die Weltwirtschaft haben würde.

Der alte Kahn wurde schließlich zu unserem Leidwesen zur Touristenattraktion. Mit dem ruhigen Bootsleben war es vorbei.
Doch Brigitte lebte auf. Sie wurde von den Nachbarn mit offenen Armen empfangen. Nach und nach wurde sie in die Berliner Oberschicht eingeführt.

Das alles setzte uns zusätzlich unter Druck, das Haus fertig zu stellen. Nach einigem hin und her einigten wir uns auf einen in Berlin gerade angesagten Ar-chitekten. Wir hatten überhaupt keine Ahnung, was es bedeutet, ein Haus zu bauen. Das einzige was für uns feststand, es sollte Sonnenkollektoren haben und möglichst energiesparend gebaut sein. Außerdem hatte ich mich mit Brigitte geeinigt, dass es ein repräsentativer Bau werden sollte, in dem sie nach Belieben Gesellschaften geben könnte.

Der Architekt hat uns überzeugt, dass wir in einer Renaissance von ‚Mies van der Rohe’ leben würden und uns ein Haus mit viel Glas vorgeschlagen.
Die Fassade zur Straße sollte weitgehend geschlossen sein. Hier wurden in beiden Geschossen in Sichthöhe 40cm hohe Fensterschlitze geplant.
Dafür sollte die Seeseite aus einer sich über zwei Etagen erstreckenden Glaswand bestehen.

Die Schlafzimmer waren in der Planung im ersten Stock auf einer Galerie nur seitlich voneinander mit Wänden getrennt, nach vorne über dem Wohnzimmer aber nur mit einem Glasgeländer gesichert, ansonsten offen. Als dann der Rohbau fertig war, überkam mich das Grauen, in diesem offenen Museum leben und mich ausstellen zu müssen.

Sicher, das Haus würde repräsentativ, aber wie sollte ich mich zurückziehen, wenn ich an einer der zahlreichen Gesellschaften von Brigitte nicht teilnehmen wollte?

Ich versuchte, Brigitte klar zu machen, dass das Leben, was wir hierin führen würden, das glatte Gegenteil von dem Leben auf einem umgebauten Kohlefrachter mit einem dunklen nur über Bullaugen und Oberlichter erschlossenen Schlafzimmer sei.

Brigitte wurde richtig böse, dass ich ihr noch immer keine Gesellschaft gönnen wollte und auf mein altes Leben bestände. Doch das war nicht der Punkt.

Nun setzte ich mich mit ‚Mies van der Rohe’ auseinander und stolperte über einen Film, welcher in einem kleinen Szenekino lief. Er hieß ‚Haus Tugendhat’. Es war ein Dokumentarfilm über die jüdische Familie Tugendhat, die von den Nazis enteignet worden war und nun um die Zukunft des von ‚Mies van der Rohe’ gebauten Mutterhauses kämpften.
Haus Tugendtat gibt es auch heute noch. Viele Zeitzeugen wurden in dem Film befragt. Alle waren sich einig, es handelte sich um eine ganz besondere erhebende Atmosphäre, in diesem Haus zu sein.

Was mich allerdings stutzig machte, wie die Familienmitglieder Tugendhat in ihrem aktuellen Zuhause gefilmt wurden. Über Geschmack kann man streiten, aber alle leben in einer heimeligen Atmosphäre mit kleinen Zimmern und zugehängten Fenstern, eben dem genauen Gegenteil zu dem durch schlichte klare Linien geprägten minimalistischem Mutterhaus.

‚Kann man in einem solchen Haus wirklich leben und sich wohlfühlen?’, ich beschloss, seit langer Zeit das erste Mal, gegen Brigitte den Aufstand zu proben.

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