Lissi fährt in einem Mietwagen auf dem Müggelseedamm vorbei an den teuren Villen mit Seeblick. Wie zufällig bleibt sie an einer modernen Villa stehen. Sie überlegt einen Moment.
Zwei Jungs spielen Fußball auf der Wiese. Sie hebt eine Karte hoch, als ob sie nach dem Weg fragen will. Eine etwas altmodische Geste im Zeitalter der Navigationssysteme, aber die Jungs kommen neugierig zu der schönen Frau mit tiefschwarzen Haaren und einer großen Sonnenbrille herangetrottet.
„Do you know Mr. Frederichs?“, fragt sie.
Beide nicken und sind stolz in Englisch „Yes, this house“, sagen zu können und zeigen auf die 50 Meter entfernte Villa.
„Can you put this in the post box and this is for you?“ Lissi holt einen 50,-€ Schein heraus und hält ihn mit einem dicken Umschlag hin.
„No problem“ lachen beide über das leicht verdiente Geld und kommen sich ein wenig wie Geheimagenten vor, als sie den Umschlag in den Briefkasten werfen.
Lissi Bintang beobachtet, ob sie den Brief auch wirklich eingeworfen haben, dann fährt sie weiter.
Ihr Herz rast. Lissi hat Todesangst. Hoffentlich hat keiner sie bemerkt. Selbst wenn ihr Wagen per GPS überwacht werden sollte, sollte niemand Verdacht schöpfen.
Schließlich ist es ein wunderschöner Tag. Sie hat sich in eine Häuserlücke gestellt, die einen atemberaubenden Blick über den Müggelsee frei gibt. Heute sind viele Segler und Motorboote unterwegs, Grund genug, um anzuhalten und die Aussicht zu genießen.
Sie hat es nicht mehr weit, bis zum Seebad Friedrichshagen.
Hier ist Lissi mit Mike verabredet.
Mike kennt sie noch aus ihrer Zeit bei Gooday. 2009 hatten sie so etwas wie eine offene Beziehung. Aber irgendwie hat es nicht richtig funktioniert.
Nach 7/11 hatten sie sich aus den Augen verloren. Lissi hatte bei Gooday schnell Karriere gemacht und natürlich gab es immer wieder Berührungspunkte mit der NSA. Sie hatte es bei Gooday bis zur Entwicklungsleiterin der Bilanzsuchmaschine gebracht. Gemäß PATRIOT Act hatten sie bestimmte Analyseprogramme für die NSA eingebaut.
Als Lissi gerade davor stand, ein lukratives Angebot aus China anzunehmen, bekam sie Post direkt von Conor O´Briain. Der wusste damals schon, dass er als NSA Chef zurücktreten würde.
Er machte ihr ein Angebot, zu dem sie nicht nein sagen konnte. Er meinte, es sei noch vertraulich, aber er würde Berater eines internationalen Konzerns werden und bräuchte eine hervorragende Assistentin, welche ihm den Rücken frei hielte und sie hätte die entsprechenden Qualifikationen.
Zwar lief es Lissi einen Moment kalt den Rücken herunter, bei der Vorstellung, wieso er so viel von ihr wusste und keinerlei Bewerbungsunterlagen sehen wollte, aber nun ja, er war eben der Chef der NSA und hatte sicher auch mit Frankowitz, ihrem Chef bei Gooday gesprochen.
Was Lissi am meisten reizte, war, dass sie viel reisen würde, meist in einem Privatjet, um die ganze Welt.