Als kürzlich ein Historiker in einer Fernsehsendung das Nazi Regime erklärte, lief es mir kalt den Rücken herunter.
Als Hauptursache für die Durchsetzung des totalitären Staates gab er an, dass jeder Deutsche sich als unbedeutendes Rädchen im kleinen Getriebe betrachtet hatte. Es war ja nicht seine Aufgabe, sich zu wehren. Selbst Eichmann betrachtete sich bis zum Schluss als kleines Rädchen und Befehlsempfänger. Somit sahen sich die meisten nicht in der Verantwortung – weil nicht zuständig- an dem Regime etwas zu verändern.
Mit einer erheblichen Anstrengung haben wir das Stadium der Demokratie und sozialen Marktwirtschaft erreicht. Der Weg von unten nach oben wurde möglich. Korruption wurde weitgehend zurückgedrängt.
Aber wie schon oft in der Vergangenheit hinkt die gesellschaftliche Entwicklung der technischen Entwicklung hinterher. Besonders fatal ist es, wenn Entwicklungen mit globalen Auswirkungen wie das Datensammeln und das Manipulieren der Massen im Geheimen passieren und dann als Status Quo einzementiert sind.
Es gab immer schon eine Mehrheit, die nach dem Prinzip „Brot und Spiele“ zufrieden war, wenn ihre Grundbedürfnisse befriedigt wurden. Heute gibt es viele Möglichkeiten, sich individuell zu positionieren und damit seine Persönlichkeit zu entfalten. Ich habe das größere Auto als mein Nachbar oder das bessere Lebenskonzept, weil ich mit anderen die Wohnungen teile.
Doch die realen Grenzen meiner Selbstverwirklichung finde ich da, wo ich über meine eigene Selbstzufriedenheit weiterdenke. Viele, die das versuchen, geraten schnell an ihre gefühlten Grenzen in einer außengeleiteten Gesellschaft. Sie stellen plötzlich fest, dass ihr Verhalten sanktioniert wird. In der Onlinewelt geht das ganz schnell. Man verliert virtuelle Freunde, wird nicht mehr in Gruppen eingeladen.
Wenn wir in nächster Zukunft nicht etwas Schlimmeres als das Naziregime erhalten wollen, dann müssen die vom Staat gesetzten Vorgaben sich nach den Bedürfnissen der Gestalter unserer Gesellschaft nach Selbstverwirklichung und Privatsphäre richten. Auch wenn sie eine Minderheit darstellen.
Was mich erschreckt ist die Schweigespirale, die auch digital hervorragend funktioniert. So lassen sich Massen hervorragend indoktrinieren und lenken.
Wenn jeder jederzeit abgehört werden kann, dann kommt der vorauseilende Gehorsam dazu. Den hätte sich Hitler sicher gewünscht.
Machen wir unsere geschichtliche Verantwortung zu unserer Stärke.
Unsere Verfassung und die EU Charta zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf Minderheiten Rücksicht nehmen.
Jeder hat das Recht sich ein Namensschild anzustecken und so über die Straße zu laufen. Aber keiner wird heute dazu auf der Straße gezwungen, im Internet schon.
Gestalter werden leider weniger. Verfassungsgemäß kann jeder ein Gestalter werden. In der digitalen Gesellschaft braucht er hierfür nur einen Internetzugang, theoretisch zumindest.
Praktisch sehe ich derzeit selbst als Einzelunternehmen keine Möglichkeit, Trusted WEB 4.0 umzusetzen, weil die Widerstände von Unbekannt zu groß sind und der Staat mich nachweislich derzeit nicht schützen kann.
Für mich gilt Apocalypse Now! Ich kämpfe jetzt erstmal für das Grundverständnis, dass ein dezentrales anonymisiertes und somit vor massenhaftem Abhören sicheres Internet vom Staat aufgebaut werden muss, damit die Minderheit der Gestalter dafür sorgen kann, dass unsere Gesellschaft nicht zusammenbricht.
Nach langer Zeit endlich versucht eine Regierungspartei einen Neuanfang. In diesem Zusammenhang finde ich den Artikel Apocalypse Now! in der SPD Netzpolitik sehr bedenklich.
Liebe SPD, bitte redet die zaghaften Ansätze in die richtige Richtung nicht wieder tot.
Es mag seltsam klingen, wenn ich behaupte, dass der EU Parlamentspräsident und der deutsche Wirtschaftsminister einer Minderheit angehören. Aber beide sind Gestalter, die weiterdenken müssen, damit die Mehrheit auch in Zukunft „Brot und Spiele“ erhält. Sie leben in einer anderen Realität als Millionen von Menschen, aber ausschließlich deshalb, weil diese Millionen -jeder für sich- beschlossen haben, Volk und nicht Gestalter zu sein!
Olaf Berberich