Sie war gegangen, wie ihn ein Blick durch sein Loft überzeugte. Kaminski wollte alles immer schön übersichtlich in seinem Leben. Als er 1995 in Hamburg Geschäftsführer eines Internetproviders geworden war, da gab es nur einen Platz, der für erfolgreiche Jungunternehmer angesagt war, ein Loft im Hamburger Hafen, damals noch für umgerechnet lumpige 2000,– Euro je qm zu haben. Eigentlich sah Friedrichshafen erst wie ein Abstieg aus. In einer kleinen Stadt Geschäftsführer einer Firma, die niemand kannte und an der fast alle in Friedrichshafen wichtigen Akteure wie z. B. Dornier Anteile hielten, war nun wirklich nicht vergleichbar, mit dem Geschäftsführer eines Großstadtproviders.
Wenn man einen Job nicht haben will, stellt man Bedingungen, welche nicht erfüllbar sind. Wenn sich der Grund der Absage herumspricht, steigert das den eigenen Markwert. Kaminski konnte also nur gewinnen. Er forderte ein mit Hamburg vergleichbares Loft und 20% Anteile an der Firma. Er bekam die Zusage umgehend. Ehrlich gesagt, so ungelegen kam Kaminski der Wechsel nicht. Die Umsatzzahlen waren meilenweit von den Sollvorgaben entfernt. Wenn Kaminski auch vom Providergeschäft wenig Ahnung hatte -schließlich ging es ja nur um die üblichen kaufmännischen Entscheidungen – so entging ihm nicht, dass 1999 bereits die Konsolidierung begann. Die Großen schluckten die Kleinen. Ein Regionalprovider konnte hier langfristig nicht mithalten. Was das Loft betraf, so zauberten die Friedrichshafener. Zwar war es nur ein 50er Jahre Bau, aber die Wohnung im 5. Stock stand mit ihrem Blick über den Bodensee der Hamburger Wohnung in nichts nach. Nachdem einige Wände entfernt worden waren, war die Wohnung auch innen kaum vom Loft in Hamburg zu unterscheiden. Der Preis war konkurrenzlos und war bei weitem niedriger als die 4000, Euro je qm, welche er beim Verkauf seines Hamburger Lofts erzielte.
Er war sogar ein bisschen froh. Schließlich hatte mal ein Kollege, den er für kompetent hielt, zu ihm gesagt:“ Na, wenn man Global 2000 glaubt, dann musst du in ein paar Jahren ein Boot nehmen, wenn Du in Deine Wohnung willst. “
Kaminski hatte sich nie für Umweltprobleme interessiert. Die Beschäftigung mit Themen, welche nicht aktuell anstanden oder ihn nicht unmittelbar betrafen, betrachtete er als Zeitverschwendung.
Jedoch hatte gerade die Fähigkeit, Dinge nicht zu bewerten, Kaminski vor Fehlentscheidungen bewahrt. Wenn man seine Wohnung gut verkaufen konnte und es die Möglichkeit gab, dass später kein höherer Verkaufspreis zu erzielen war, dann verkaufte man eben.
Warum die Friedrichshafener so scharf auf ihn waren? Nun, eigentlich war eine geschönte Pressemitteilung schuld. Er wurde in einer überregionalen Wirtschaftszeitung zum „Kreativen Manager des Jahres“ gewählt. Die Auswahl wurde einzig und allein auf Basis der Analyse verschiedenster Interviews mit Managern getroffen, durchgeführt von einem anderen Medium der gleichen Unternehmensgruppe. Wie üblich hatte Kaminski verschiedenste von seinen PR Beratern vorbereitete Anekdoten und Statements eingefügt.
Kaminski zog sich an und ging zum Frühstück in die Altstadt in sein Stammlokal. Kaum hatte er bestellt und seine Wirtschaftszeitung aufgeschlagen, da klingelte sein Handy.
„Ja“ Kaminski schaffte es durch den Tonfall, mit dem er diese zwei Worte aussprach, Müller das Gefühl zu geben, dass er eindeutig ein Anrufer zuviel sei.
„Äh, Müller, wir waren in ihrer Wohnung für 10. 00 Uhr verabredet. Wie sie wissen, bewerbe ich mich für die Position des Leiters ihrer Außenvertretung in Spanien. “
„Ich bin im Cafe Zeppelin bis 11. 30 Uhr. Diese Zeit sollte für ein Kennenlernen reichen. “
„Gute Idee Herr Kaminski, Cafe Zeppelin sagten Sie?“ Kaminski hatte schon aufgelegt. Kaminski kannte den Lebenslauf von Müller. Ausgezeichnete Referenzen, schnell nach oben gekommen, aber wenig Eigenverantwortung übernommen, immer geschickt zur richtigen Zeit… Das könnte zum Problem werden.
„Müller, guten Tag Herr Kaminski. Es freut mich, Sie endlich persönlich kennen zu lernen. Was gibt es schöneres, als für das Findens Konsortium zu arbeiten“ sagte ein gepflegter, aber absolut unauffälliger Mann. Das waren für Kaminski eindeutig 20 Worte zu viel.
„Herr Müller, warum wollen Sie diesen Job?“
Sichtlich fassungslos versuchte Müller sich zu sammeln. Sicher, er war es gewöhnt, dass Einstellungsgespräche nicht einfach verliefen. Aber diese Unverschämtheit – schließlich hatte er Referenzen. „Ich habe bereits Erfahrungen mit dem Vertrieb von erklärungsbedürftigen Produkten gesammelt. Wie Sie sicherlich aus meinen Unterlagen bereits entnommen haben, war ich sogar sehr erfolgreich verantwortlich für den Vertrieb einer Search Engine Optimiser Agentur tätig. “
„Herr Müller, sehen Sie dieses Jugendstilhaus auf der anderen Straßenseite? Stellen Sie sich vor, ich würde ihnen die Immobilie für 0,50 Euro anbieten. Was wäre Ihre Antwort?“
Endgültig verwirrt täuschte Müller einen Hustanfall vor. Dies hatte er als letztes Mittel für den Fall trainiert, dass er mal nicht mehr weiter wusste. Noch nie hatte er diese Finte einsetzen müssen. Was sollte das? War Kaminski schon bei den Gehaltsverhandlungen angekommen? Nur jetzt nicht in die Falle tappen.
„Ich würde das Angebot prüfen“. Seine Stimme hob sich einen Tick zu hoch am Ende des Satzes, so dass man das Fragezeichen heraushörte.
„Herr Müller, ich habe keinen Job für Sie, aber eine Lektion für´s Leben: „Reduzierung des Kaufpreises auf 0,25 Euro und ich werde die Qualität des Objekts prüfen. “ Dies ist die einzige Antwort, die ein Spanienverantwortlicher gibt, der den angepeilten Marktanteil von über 50% innerhalb von 5 Jahren erreicht“. Während Kaminski noch sprach, wendete er sich wieder seiner Zeitung zu. Das Gespräch war beendet.
Ihr Handlungsstrang: Beschreiben Sie doch ein wenig mehr über das Leben in Friedrichshafen. Können Sie das Ende dieses Kapitels versöhnlich gestalten, z.B. durch ein schönes Erlebnis, welches Müller wieder aufheitert?