Auf dem Podium – Musikhuset, Esbjerg – am gleichen Tag, 17.00 Uhr, 7. Teil, Kapitel II

Fast  hätte  Shaona  eine  böse  Überraschung  erlebt.   Sicher,  es  war  zwischen  Frank  und  ihr  nichts  gelaufen.   Aber  als  Ole  seinen  Namen  aussprach,  hatte  es  schon  wehgetan,  es  würde mit  an  Sicherheit  grenzender  Wahrscheinlichkeit  bei  dem  einen  Abend  bleiben  .   Natürlich  war  Shaona  nicht  mit  ihrem  Beruf  verheiratet.   Aber  sie  hatte  einen  eisernen  Grundsatz.   Nie  Privates  mit  Geschäftlichem  vermischen,  Ole  einmal  ausgenommen.   Das  FINDERS – Konsortium  unterhielt  mit  fast  allen  europäischen  Suchmaschinenanbietern  gute  geschäftliche  Kontakte.   Aber  wenn  hier  einer  eigens  aus  den  USA  zu  einer  Podiumsdiskussion  eingeflogen  wurde,  dann  würde eine  Konfrontation  wohl  unvermeidlich  sein.   Hier  ging  es nicht  um  einen  Wettbewerb  der besten  Konzepte,  sondern  schlicht  um  wirtschaftliche  Interessen  und  Machtansprüche.

Sie  würde es  als  Vorteil  nutzen,  dass  Sie  Frank  bereits  kennengelernt  hatte.   Sie  wusste,  wie  man ihn  angehen  musste.   Hoffentlich  hatte  er  seinerseits  nicht  zu  ausgiebig  die  Teilnehmerliste  studiert.   Hatte  sie  ihm  zu  viel  über  sich  erzählt?  

Als  sie  das  Podium  betrat,  erwies  sich  ihre  Angst  als  unbegründet.   Frank  starrte  sie mit  offenem  Mund  an.   Er  sah  anders  aus  als  am  Vortag.   Seine  Haare  waren  mit  einem  Zopf  nach  hinten  gebunden.   Mit  dem  schwarzen  Maßanzug  wirkte  er  zivilisiert.   Den  erfolgreichen  Manager  mit  kreativem  Touch  nahm  man ihm  ab.   Shaona  merkte,  Frank  war  voll  damit  beschäftigt,  zu verarbeitet,  dass  die nette  kleine  Urlaubsbekanntschaft  sich  als  Podiumsteilnehmerin  auf  der Seite  der FINDERS  –Technologie  entpuppte.   Lange  hatte  sie  jedoch  nicht  Zeit,  sich  mit  Frank  zu  beschäftigen.   Sie  nahm  den für sie reservierten  Platz  ein.   Neben  ihr  saß  bereits  ein  blasser  junger  Mann.   Dieser  schob  permanent  seine  Füße  in  seinen  Schuhen  hin  und  her.   Es  sah  gerade  so aus,  als hätte  ihn  jemand  in  zu große  Schuhe  gesteckt  und  als würde er  verzweifelt  versuchen,  hierin  Halt  zu  finden. Als  sie  sich  gesetzt  hatte,  was  er  hocherfreut  und  überreichte  ihr  einen  Zettel:  

Liebe  Frau  Magu,

ich  bin  leider  auf  Grund  eines  wichtigen  Termins  verhindert.

Zu  Ihrer  Unterstützung  habe  ich  Ihnen  unseren  neuen  PR  – Referenten  Herrn  Dr.   Jakob  Perlemann  geschickt.

Mit  freundlichen  Grüßen

Willi  Kaminski  (Vorstandsvorsitzender)  

Wiederum  nickte  ihr  Nebenmann  eifrig.   Es  bestand  kein  Zweifel,  dass  er  selbst  Dr.   Perlemann  war.   Für  eine  Unterhaltung  war  keine  Zeit  mehr,  da  der  Moderator  bereits  mit  der  Einführungsrede  begonnen  hatte. Shaona  schossen  mehrere  Gedanken  gleichzeitig  durch  den  Kopf.   „War  Perlemann  in  der  Lage,  die  Interessen  des  Finders – Konsortiums  zu vertreten?  Würde  er  ihr  die  Bälle  zuspielen?  Kannte  er  überhaupt  ihre  Funktion  bei  Finders  und  dass  sie  lediglich  für  die  Semantik – Radaktion  sprechen  konnte?  Sie  fand  die  Formulierung  „Zu  Ihrer  Unterstützung“  von Kaminski  schon  reichlich  unverschämt.   Schließlich  klang  das so,  als würde sie  hier  federführend  für  die  Interessen  der  Finders  AG  sprechen  können.   Sie  wusste  nicht  einmal  genau,  welche  Verhandlungen  mit  den  Skandinavischen  Ländern  und  Konzernen  wie  Nokia  derzeit  geführt  wurden.   Andererseits  drückte  dies  möglicherweise  aus,  dass  Kaminski  mehr  Vertrauen  zu ihr  hatte  als  zu  seinem  neuen  Vertreter,  von dem sie noch  nie  zuvor  etwas  gehört  hatte.  

Nachdem  sich  alle vorgestellt  hatten,  übergab  der  Moderator  das  Wort  an  Frank  Reagan.   Dieser  hielt  eine  sehr  emotionalisierende  Rede,  welche  geschickt  jeglichen  Angriff  auf  andere  Konzepte  vermied,  aber  unmissverständlich  klarstellte,  dass  neben  der  Rankingmethode  der  Suchmaschinen  kein  weiteres  Konzept  Bestand  hätte.   Für  ihn  repräsentierten  Suchmaschinen  den  amerikanischen  Traum  von  der  unbegrenzten  Freiheit,  in  dem  jeder  vom  Tellerwäscher  zum  Millionär  werden  konnte.

Daraufhin  war  Dr.   Perlemann  an  der  Reihe.   Dieser  entschuldigte  sich  erst  einmal  für das Ausbleiben  seines  Chefs  Willi  Kaminski.   Ausführlich  schilderte  er  den  Siegeszug  des  Finders – Konsortiums  in  Deutschland  mit  dem Wirtschaftswunder,  welches  durch  die  Spezialisierung  des  deutschen  Mittelstands  hinter  einer  von  40. 000  Kategorien  ausgelöst  wurde.   Hierbei  handelte  es  sich  wohl  um  eine  Rede,  welche  für  Kaminski  vorbereitet  worden  war.  

Frank  Reagan  wurde  um  Stellung  gebeten  und  erwiderte,  ohne  direkt  auf  Perlemann  Bezug  zu  nehmen:  „Wir  in  den  USA  lehnen  jegliche  Art  von Beeinflussung  der freien  Marktwirtschaft  ab.   Eine  Aufteilung  in  Kategorien  käme  für  uns  nicht  in  Frage“. „Genauso  wenig  wie  das  Teilen  der  Einnahmen  mit  allen  am  Onlineprozess  beteiligten?“  konterte  Perlemann  viel  zu  hektisch.

„Was  macht  Perlemann  denn?“  dachte  Shaona  entsetzt.   Natürlich  ging  es  in  Wirklichkeit  darum,  ob  einzelne  globale  Player  immer  größer  wurden,  oder ein  eher  mittelständische  Spezialisten  förderndes  Konzept  alle sinnvoller  Weise  am  Onlineprozess  Beteiligten  einband. Aber  es war  doch  äußerst  ungeschickt,  dieses  Thema  auf  dem  Podium  anzusprechen.   Finders  war  insbesondere  im Ausland  darauf  angewiesen,  alle  vorhandenen  Kräfte  insbesondere  die  Suchmaschinen  in  das  Kategorienkonzept  mit  einzubinden.   Wenn  man hier  öffentlich  polarisierte  und  Feindbilder  aufbaute,  konnte  man nur  verlieren.  

Frank  Reagan  ging  in  keiner  Weise  auf  den Angriff  ein.   Vielmehr  fuhr  er  ausgerechnet  am  Beispiel  China  fort,  wie  Suchmaschinen  dazu  beitrugen,  die  Demokratisierung  voranzutreiben,  weil  immer  mehr  Informationen  für  immer  mehr  Menschen  erreichbar  würden. Als  Perlemann  zu  ihr  herüber  sah,  signalisierte  Shaona  Perlemann,  dass  sie  die  Diskussion  übernehmen  wollte.   Als  habe  er  eine  heftige  Zurechtweisung  erhalten,  zuckte  Perlemann  zusammen  und  akzeptierte.   Er  hatte  wohl  diesbezüglich  eindeutige  Anweisungen  von  der  Zentrale.

Der  Moderator  bekam  den  stummen  Dialog  mit  und  gab  Shaona  das  Wort.

Shaona  wies  darauf  hin,  dass  sie  sicherlich  auf  Basis  ihrer  Tätigkeit  nur  eine  beschränkte  Sichtweise  auf  die  Dinge  hätte.   Sie  könnte  sich  deshalb  zu großen  Visionen  nicht  äußern.   Auch  hätte  sie  leider  die USA  noch  nicht  kennengelernt.   Sicherlich  wäre  dies  ein  außergewöhnliches  Land. 

Für  sie  wäre  heute  interessant,  wie  schnell  jemand  zu  einem  Suchziel  käme  und  dass  Irreführung  und  Betrug  im  Internet  weitgehend  ausgeschlossen  wären.   Sie  persönlich  würden  Stimmen  aus  dem Publikum  interessieren,  welche  Prioritäten  die hier  Anwesenden  setzen  würden. Der  Moderator  griff  dankbar  ihren  Vorschlag  auf,  das Publikum  einzubinden.  

Auch  das  Publikum  war  mehr  an  praktischen  Lösungen  als  an  großen  Visionen  interessiert.   Die  Situation  war  gerettet.   Viele  detaillierte  Fragen  aus  dem  Publikum  erlaubten  Shaona,  ihrerseits  viele  Fachthemen  anzusprechen  und  die  Vorteile  einer  Aufteilung  des  Internets  in  Kategorien  ausführlich  zu  erläutern. Frank  warf  ihr  einen  wütenden  Blick  zu.   Shaona  war  sich  sicher,  dies  würde das  letzte  Mal  sein,  dass  der Egomane  Frank  Reagan  sie bemerken  würde.       

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