Der Apotheker – John F. Kennedy Airport – 11. Juli 2011, Kapitel 40, Teil II

Am 11. Juli war Ryman um 9.00 Uhr wie vorgesehen am Parkplatz. Fast 30 Minuten musste er warten, bis er unbemerkt durch die Luke in den Wertraum einsteigen konnte. Kurz vorher hatte er die Folie von den Ausgabeautomaten gezogen.
Er nahm eine dicke Metallplatte und hob sie beim ersten Seitenfenster in die vorgesehenen Führungen. Auf der Rückseite der Metallplatte war ein Speichenrad ähnlich wie bei einem Tresor angebracht. Ryman drehte das Speichenrad, bis rings um die Metallplatte Riegel in die Befestigungen der Seitentür eingerastet waren. Er wiederholte den Vorgang für das Beifahrerfenster und die Frontscheibe. Nun saß er sicher wie in einem Tresor.

Die länglichen Kartons mit jeweils 500 Packungen waren an zwei Seiten perforiert. An der schmalen oberen Seite, ließ sich der gesamte Deckel abziehen. An der Unterseite drückte Ryman die Perforation ein. Es entstand ein Loch, das gerade so groß war, dass eine einzelne Packung hindurchfallen konnte.
Er steckte auf jeden der 30 Schalter in die entsprechende Vorrichtung einen geöffneten Karton.

Ryman saß im Wertraum und wartete.
Gemäß Anweisung sollte er um Punkt 10.00 Uhr über eine Taste die LED-Anzeige anschalten und jedesmal, wenn ein Karton leer war, einen neuen einschieben.
9.45 Uhr
Es war absolut still. Endlich hatte Ryman nach all dem Stress der letzten Tage ein wenig Zeit, nachzudenken.
Was machte er eigentlich hier? Wer um Himmels Willen sollte bei ihm Medikamente abholen?
Ryman beruhigte sich damit, in dem versuchte, sein Handeln aus dem Blickwinkel eines Juristen zu betrachten. Er stand nicht einmal im Parkverbot. Der Wagen war nicht geklaut. Er kannte kein Gesetz, dass ihm verbot, die Fenster mit Metallplatten zu sichern. Die Ladung hatte er mit offiziellen Papieren durch den Zoll gebracht.

Plötzlich begann er zu schwitzen. Panisch riss er eine Packung auf und probierte eine Tablette. Er kannte sich mit Drogen nicht aus, aber er schwor sich, in dem Moment, in dem er eine Wirkung verspüren würde, würde er sofort aussteigen.
Pleite war immer noch besser als Knast. Aber er spürte keine Veränderung.

Dann hörte er Geräusche. Es waren Menschen. Es waren viele Menschen. Jemand rappelte an der Tür.
Ryman fiel plötzlich ein, dass er die LED-Anzeige anmachen musste.
Sofort klackten die Ausgabeschalter. Der erste Geldsack blähte sich durch einen Windzug auf. Im Karton wackelte es. Die erste Medikamentenschachtel fiel aus dem Karton nach.
Auf einem kleinen LED-Feld, welches er vorher nicht bemerkt hatte, erschien eine „1“.
Sofort gab es wieder diesen Windzug. Der nächste Schalter arbeitete. Das Display zeigte eine „2“. Plötzlich begannen alle Schalter zu arbeiten.
Ryman kam nicht weiter zum Nachdenken. Servicebewusstsein lag ihm in Fleisch und Blut. Er ärgerte sich, dass er nicht vorher weitere Kartons geöffnet hatte. Dann hätte er noch schneller ausliefern können.
Eher im Unterbewusstsein registrierte er die zunehmende Anzahl der Stimmen draußen. Wo kamen nur all die Menschen her?

Weisungsgemäß hatte er nach 21.00 Uhr mehrere Pausen eingelegt. In der ersten Pause hatte er die Luke aufgeschlossen. Was er nun hörte, gefiel ihm gar nicht. Die Stimmen klangen absolut panisch. Den ganzen Tag waren je Schalter ca. 30 Medikamentenschachteln je Minute ausgegeben worden. Er war fast permanent damit beschäftigt, die Perforierung abzureißen und Kartons auszutauschen. Jedes mal, wenn ein Schalter leer war, wurde kräftig am LKW geklopft. Inzwischen füllte sich der Werteraum mit den leeren Kartons.
In der zweiten Pause benutze er ein Spezialwerkzeug, um den unter der Luke liegenden Gullydeckel zu öffnen.
Er dauerte länger als erwartet. Viele Schalter liefen leer. Der Laster wackelte immer heftiger, was Ryman die Arbeit auch nicht erleichterte. Schnell schob er die nächsten Kartons in die Schalter.
Jedes mal, wenn ein Geldsack voll war, wurde der Sack automatisch plombiert und von hinten klappte der nächste Sack nach vorne. In weiteren Pausen warf er gefüllte Geldsäcke durch das Gullyloch.

Um 22.00 Uhr zeigte das LED-Display 499.994 an. Er hatte alle Medikamente ausgegeben.
Sofort ging das Rütteln wieder los. Gerade rechtzeitig erinnerte sich Ryman daran, eine weitere Taste zu drücken. Und tatsächlich, das Rütteln hörte auf.
Was er nicht sehen konnte war, dass sich nach dem Betätigen der Taste der Anzeigetext veränderte. Anstelle von „Es sind genügend Medikamente dar. Legen Sie eine 100 Dollarnote in den Geldschlitz, sie erhalten sofort das Medikament“, wurde ab sofort angezeigt: „Bitte bewahren sie Ruhe, Nachschub wird in wenigen Minuten angeliefert.“
Ryman brauchte keine Anweisung, um zu wissen, dass er hier schnellst möglich verschwinden sollte. Gerade hatte er den Gullydeckel über sich zugezogen, da kippte der LKW über ihm um.

Ryman musste mehrfach im engen stinkenden Schacht hin und herlaufen, bis er alle Säcke durch das neu gebrochene Loch in die Garage gebracht hatte, wo anstelle des Schalter-LKWs ein neutraler Auslieferungswagen von ihm geparkt worden war.
Er brauchte fast 30 Minuten durch die Menschenmenge, bis er die ca. 150 Meter von der Garage bis zur Lieferanteneinfahrt des Flughafens geschafft hatte.

Hier wurde immer hart kontrolliert. Er öffnete einen weiteren Umschlag und fand die Frachtpapiere für die Geldsäcke. Richtigerweise war hier ausgefüllt: „Geldeinnahmen aus Medikamentenverkauf“. Als Empfänger war Human International Ltd. Liechtenstein via Hongkong angegeben.
Zu seiner Überraschung gab es am Frachttor überhaupt keine Kontrolle. Der Schlagbaum lag unten. Das Wachhaus war leer. Das hatte es noch nie gegeben, was war hier los?
Ryman öffnete die Schranke, fuhr in den Flughafen und vergaß nicht, die Schranke wieder zu schließen.

Die Frachtmaschine von IPC hatte schon ihre Turbinen gestartet. Kurz nachdem die Geldsäcke verladen waren, startete die Maschine nach Hongkong.

Ohne darüber nachzudenken, warum er diese ungewöhnliche Entscheidung traf, beschloss Ryman diese Nacht im Büro seines Lagers auf dem Flughafengelände zu verbringen.
Irgend wo musste doch noch ein alter Schlafsack sein.
Erst da merkte er, dass seine Kleidung noch immer nassgeschwitzt war.

Offener Brief an Herrn Dr. Appel, Vorstandsvorsitzenden der Post AG

Sehr geehrter Herr Dr. Appel,

in der Presse habe ich über das neue Zukunftsprojekt der Deutschen Post gelesen, den digitalen Brief einzuführen und damit die Kosten zu minimieren.

Grundsätzlich ist dies der Weg in die richtige Richtung, leider aber viel zu halbherzig. Entschuldigen Sie meine offenen Worte, aber ich verstehe nicht, wieso in Deutschland immer wieder Insellösungen eingeführt werden und niemand mehr fragt, was der Kunde eigentlich an nachhaltigen Konzepten vom jeweiligen Unternehmen erwartet.

Auch gibt es zahlreiche technische Lösungen zu sicheren E-Mails. Die digitale Signatur wird nun fast ein Jahrzehnt entwickelt. Durchgesetzt haben sich diese Systeme nicht.
Schon viele große Firmen habe ihren digitalen Einfluss überschätzt und gingen automatisch davon aus, dass sie die Offline – Größe des Unternehmens 1/1 auf den Onlinebereich übertragen können. Karstadt ist hier nur ein aktuelles Beispiel, dass es so einfach nicht geht.

Stellen Sie sich vor, Sie gehen eines Morgens zu Ihrem Lieblingsgeschäft und hier hängt plötzlich ein Schild an der Tür: „Eintritt nur für Menschen unter 45 Jahren erlaubt“.

Genau dass haben Sie vor. Die Post ist für alle da. Immerhin fast die Hälfte der Bevölkerung wird auch die nächsten Jahrzehnte skeptisch gegenüber dem Internet bleiben. Wenn Sie jetzt die Hürde für Kunden immer höher schrauben, damit diese Ihre Dienstleistungen nutzen, werden Sie nicht Kosten sparen, sondern Kunden verlieren.

Zudem erhöhen Sie den Spagat, den Unternehmen heute schon mit Unified Messaging bei Fax, Mail, SMS und Briefen leisten müssen, um ein weiteres System. Anbieter wie der Ulmer Postdienstleister DIREKTexpress bieten digitale Briefe schon an. Jeder benutzt sein eigenes Akkreditierungsverfahren. Im Ergebnis steht für alle Beteiligten ein erheblicher Mehraufwand, welcher Rationalisierungsvorteile der Digitalisierung auffrisst.

Helfen würde nur ein harter Einschnitt und der Ersatz der Briefe durch eine digitale Alternative für alle.
Eine solche Alternative haben wir bereits 2000 konzipiert. Seit November 2008 ist das Buch „7/11: Insiderstory des Wandels in Deutschland“ im Buchhandel. Hier kann man unterhaltsam beschrieben nachlesen, wie ein 90-jähriger mit 5% Sehkraft mit der für alle verfügbaren digitalen Alternative zum Brief klarkommt.

Im Februar 2009 habe ich auch Ihnen dieses Buch zugeschickt. Leider gehören die Post zu den wenigen, die sich nicht mit dem Buch beschäftigt haben. Jedenfalls habe ich keine Antwort auf meine Zusendung erhalten, obwohl die nachhaltige Perspektive für die Post AG den Kern dieses Buches ausmacht.

Ich befürchte, heute sind nur noch kurzfristig wirkende Sparmaßnahmen in Mode, weil man hier nicht viel falsch machen kann. Gerade in der Wirtschaftskrise sind mutige Schritte zu einer nachhaltigen Zukunft jedoch überlebensnotwendig.
Nur wenn die Post alle Zielgruppen in die digitale Zukunft mitnimmt, wird die Post mit einer zu heute vergleichbaren Anzahl an Kunden überleben.

Vielleicht trägt dieser offene Brief ein wenig dazu bei, dass eine Diskussion über die Zukunft der Post in Gang kommt.

Wir müssen verhindern, dass breite Teile der Bevölkerung in Zukunft benachteiligt werden, indem sie von der Informationsgesellschaft abgeschnitten werden und insbesondere im Alter ihre Mobilität und Selbständigkeit erheblich eingeschränkt wird.
Denn die Post ist für alle da, egal ob als Brief oder auf digitalem Weg, sie ist ein Stück unserer Lebensqualität.

Olaf Berberich

Parkprobleme – John F. Kennedy Airport – 10. Juli 2011, Kapitel 39, Teil II

Um 10.00 Uhr war Ryman wieder in der Garage mit dem Spezialfahrzeug. Auf den ersten Blick sah das Fahrzeug unverändert aus. Allerdings war – wie auf der Anweisung erwähnt – über Nacht die Fahrertür ebenfalls zugeschweißt worden.
Ryman kroch unter den Wagen und schloss die kreisrunde Luke zum Wertraum auf. Er kroch hindurch und schloss die Luke wieder von oben.
Anschließend startete er nach verschiedenen Bemühungen endlich den alten Diesel. Die Schaltertechnik und Panzerung des Wagens war vom Feinsten. Der Rest war so altersschwach, dass er fürchtete, die 300 Meter, welche er mit dem LKW zurücklegen sollte, nicht zu schaffen.
Er sollte nur um zwei Ecken fahren und hier an einer bestimmten Stelle parken.

Als Ryman den vereinbarten Parkplatz erreichte, war dieser besetzt. Vier mal fuhr er wieder in die Garage. Nach jeweils 30 Minuten fuhr er wieder los. Wieder war der Parkplatz nicht frei.
So komme ich nicht weiter, dachte Ryman. Ich soll auf keinen Fall auffallen. Und dieser Wagen fiel wirklich auf, auch wenn die Ausgabeschalter mit einer Folie zugeklebt waren.

Also ging Ryman erneut zu Fuß los.
Auf dem Weg kam er an einer Obdachlosen vorbei. Da kam ihm eine Idee.
„Wollen Sie sich 50 $ verdienen?“
Die Frau war so schmutzig, dass ihr Alter schwer bestimmbar war. Sie erhob sich und hielt sich mit gläsernem Blick an einem Einkaufswagen fest, der alles beinhaltete, was sie besaß.
„Ficken is nich“, sagte sie.
Ryman schüttelte den Kopf. „Nein, nein, Sie haben mich völlig missverstanden. Ich suche einen Parkwächter für maximal 2 Stunden.“
„Parkwächter, ich bin doch gar nicht passend angezogen?“
Offenkundig hatte auch diese Frau einmal bessere Zeiten erlebt.
„Kommen Sie einfach mit.“
Er zog sie eine Ecke weiter. Sie folgte ihm, ohne ihren Einkaufswagen auch nur einen Augenblick aus dem Auge zu lassen. „Ich brauche genau hier einen Parkplatz.“
Zu seiner großen Freude wurde der Parkplatz, auf dem er den LKW positionieren sollte, gerade frei.
Doch schon machte ein schwarzer Porsche Anstalten, einzuparken. Konnte der nicht lesen? Ein Schild wies den Parkplatz eindeutig als LKW-Parkplatz aus.
Sofort setzte sich die Frau mit ihrem Einkaufswagen mit einer Geschwindigkeit in Bewegung, die man ihr gar nicht zugetraut hätte.
Der Porschefahrer haute den Rückwärtsgang rein und fuhr mit quietschenden Reifen zurück.
Er hatte wohl schon schlechte Erfahrungen mit einem bestimmten Typ Einkaufswagen schiebender Menschen gemacht.
Sie war die Richtige. Ryman zeriss einen 50 Dollar Schein.
„Die zweite Hälfte, wenn ich eingeparkt habe.“ Sie nickte.

Ryman beeilte sich, wieder zur Garage zu kommen. Wieder musste er unten durch die Luke. Das war schon ganz schön anstrengend.
Der Diesel sprang wider Erwarten direkt an.
Nachdem er den LKW vor die Tür gefahren hatte, musste er wieder durch die Luke nach draußen, um die Garagentür zu schließen.
Zum Glück sah ihn niemand.

Er erreichte den Parkplatz, den die Obdachlose mit ihrem Einkaufswagen in Besitz genommen hatte, innerhalb weniger Minuten. Als er einparken wollte, sprang sie sofort auf und schob energisch den Einkaufswagen gegen den LKW. Erst als Ryman langsam weiterfuhr und vorsichtig den Einkaufwagen zurückschob, sah sie auf und gab endlich den Platz frei.
Einige Male musste Ryman vor und zurücksetzen, bis der LKW an der richtigen Stelle stand.
Ryman blieb sitzen, um sicherzustellen, dass niemand den Laster beobachtete.
Die Parkwächterin wurde nervös. Warum machte er nicht die Tür auf? Zu oft war sie in ihrem Leben bereits betrogen worden. Irgend etwas sagte ihr, es gab einen Trick, dass sie doch kein Geld bekam. Als Ryman dann auch noch nach hinten in dem Wagen verschwand, fuhr sie den Einkaufswagen gegen den LKW.
Plötzlich stand Ryman neben ihr.
Wie war er aus dem LKW gekommen?
Ryman legte den Zeigefinger an den Mund. „Psst, top secret. Ich habe immer in meinem Leben für gute Arbeit gutes Geld gezahlt.”

Als sie den zusätzlichen 20er in Händen hielt, bekamen ihre Augen plötzlich ein Glitzern. Ihre Haltung wurde aufrecht. Lange war es her, dass sie gelobt worden war.

Sie merkte, Ryman hatte es ernst gemeint.

Der erste Auftrag – John F. Kennedy Airport – 9. Juli 2011,Kapitel 38, Teil II

Dem Vertrag beigefügt war eine genaue Anweisung, was er für den Kunden durchzuführen hatte.
Zuerst wartete er auf die Frühmaschine von IPC aus Hongkong.
Die Frachtmaschine landete pünktlich um 8.30 Uhr.
Ryman überprüfte die Fracht besonders gründlich. Angegeben waren 500.000 Packungen Grippemedikamente, Auslieferung an die Firma Human International Ltd. in New York.
Er öffnete einige Kisten. Er hatte schließlich keine Lust, beim Zoll eine böse Überraschung zu erleben. Doch auf alle Paletten entsprach die Ware den Frachtscheinen.
Ryman war noch immer nicht zufrieden. Er errechnete das Frachtvolumen bei Berücksichtigung von Packungsgröße und Anzahl. Auch hier entsprach die Frachtmenge den Angaben der Zollpapiere.

Die Fracht wurde in einem LKW von Ryman Ltd. umgeladen. Beim Zoll gab es keine Beanstandungen.
„Geht’s euch jetzt schon so schlecht, dass Ihr Medikamente mit VIP-Service liefert?“
Der Zollbeamte wusste offensichtlich nichts davon, dass Ryman Ltd. geschluckt worden war.
„Man nimmt, was man bekommt“, antwortete Ryman.

Er fuhr gemäß Vorgabe zu einer großen Garage in unmittelbarer Nähe zum Liefereingang des Flughafens. Mit dem Schlüssel, den er zusammen mit der Fracht erhalten hatte, öffnete er die Garagentür und fuhr den LKW herein.
In der Garage befand sich ein zweiter LKW mit der Aufschrift Ryman Ltd.. Was sollte das, das war keiner von seinen Wagen.
Er betrachtete den Wagen genauer und sah, dass der Wagen auf drei Seiten mit insgesamt 30 Ausgabeautomaten ausgerüstet war.
Auf dem Dach des Wagens gab es ein LED-Anzeigeband.

Er bestieg den Wagen durch die nicht abgeschlossene Fahrertür. Direkt fiel ihm auf, dass die Beifahrertür zugeschweißt war. Er ging in den hinteren Bereich. Ungewöhnlich war eine Luke im Boden des hinteren Wertraumes. Außer der Fahrertür und der zugeschweißten Beifahrertür hatte das Fahrzeug keine weitere Tür. Im Inneren hing unter den Ausgabeschaltern jeweils ein großer Geldsack.

Ryman las die auf dem Beifahrersitz liegenden weiteren Anweisungen. Er konnte nichts Ungesetzliches erkennen und er musste zugeben, man hatte alles für seine Sicherheit getan. Sorgfältig steckte er sich 5 Packungen des Grippemittels ein. Diese Menge hatte man ihm zugestanden.

Anschließend benötigte er einige Stunden, um umständlich durch die Fahrertür die Medikamente in das Spezialfahrzeug einzuladen.

Die Nacht schlief er sehr unruhig in der ohne seine Frau viel zu großen Wohnung.

Konkurrenten – John F. Kennedy Airport – 8. Juli 2011, Kapitel 37, Teil II

Peter Ryman stand auf der Rampe vor dem Lager der Ryman Ltd. im Zollbereich des Flughafens. Frustriert sah er auf das Firmenschild, welches man aus für ihn unerfindlichen Gründen noch nicht entfernt hatte.

Bis vor 18 Monaten war er Inhaber dieser Firma gewesen. Die letzten Jahre hatten keinen Spaß mehr gemacht. Seit 2008 plötzlich aus dem nichts International-Planet-Cargo auftauchte und in über 100 Flughäfen den angesiedelten Auslieferunternehmen für hochwertige Frachten Konkurrenz machte, war der Preiskampf mörderisch geworden. Dann noch die Wirtschaftskrise, das war zuviel.
International-Planet-Cargo lieferte nicht nur aus, sondern hatte auch eigene Frachtflugzeuge. Die Mitarbeiter für das Aus- und Einladen flogen mit den Flugzeugen mit und arbeiteten beim Be- und Entladen zu konkurrenzlosen Preisen.
Da sie nie in die USA einreisten, sondern sich nur im Zollbereich aufhielten, unterlagen ihre Arbeitsverhältnisse nicht den hiesigen Auflagen.
Heute wusste Ryman, dass diese Arbeiter oft illegal die Frachtflugzeuge zum Übernachten benutzten, wenn das Flugzeug nicht am gleichen Tag zum Verteiler in Hongkong zurück flog.
Aber heute gehörte er selbst zur IPC-Gruppe, wie International-Planet-Cargo abgekürzt hieß.

Vor fast 18 Monaten war Ryman Ltd. in die Insolvenz und anschließende Zwangsversteigerung gegangen.
Natürlich konnte IPC die Ryman Ltd. zu einem konkurrenzlosen Preis übernehmen. Wer hatte in dieser Situation schon Lust, gegen den internationalen Marktführer anzutreten.
Weisenmüller, der CEO von IPC, war so großzügig gewesen, ihm anzubieten, für einen Zeitraum von 18 Monaten in seiner ehemaligen Firma den Job als Geschäftsführer anzunehmen.
Was sollte er machen. Er hatte schließlich alles Geld in seine Firma gesteckt. Die private Pleite war kaum noch abzuwenden. Also nahm er mit Fäusten in der Tasche an.
Nun würde er Ende der Monats wohl endgültig auf der Straße stehen.
Ein neuer LKW kam und riss ihn aus seinen Gedanken. Für ein Museum wurden vorsichtig kostbare Bilder umgepackt. Solche Aktionen hatte er schon immer persönlich überwacht.
Gerade als der Lastwagen die Ladeluke schloss und die Frachtpapiere unterzeichnet waren, klingelte das Telefon.
„Ryman.“
„Hallo Mr. Ryman, hier ist Weisenmüller, wie geht es Ihnen und Ihrer Familie.“
Was sollte das, wusste Weisenmüller, dass seine Frau nach der Insolvenz direkt ihre Koffer gepackt hatte und das sinkende Schiff verlassen hatte? Wollte er sich jetzt auch noch über ihn lustig machen?
Ryman beschloss, sich nicht provozieren zu lassen. „Was kann ich für Sie tun, Mr. Weisenmüller?“
„Nun, bei uns hat sich in den letzten Monaten einiges getan. Wir haben gerade den Bericht einer Unternehmensberatung für eine Umstrukturierung vorliegen und könnten uns vorstellen, Sie unter gewissen Umständen wieder zum Haupteigentümer von Ryman Ltd. zu machen.“
Innerlich lachte Ryman auf. Dann stimmten also die Gerüchte, welche er von dem in Los Angeles ebenfalls von IPC übernommenen Unternehmer gehört hatte. Danach hatte IPC sich mit einer zu schnellen Expansion übernommen.
„Einverstanden, wann wollen wir uns treffen?“
„Ehrlich Mr. Ryman, ich bin derzeit sehr im Stress. Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen die Vertragsunterlagen zur Rückabwicklung Ihrer Firma schicke und wir dann noch einmal telefonieren? Übrigens, wir sind Geschäftsleute, Mr. Ryman. Wir haben einen extrem wichtigen Auftrag angenommen, hier erwarten wir Ihre Hilfe. Es steht eine Krise bevor. Wir sind offiziell beauftragt, Medikamente auszuliefern. Mehr darf ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.“
„Also illegal oder ein Himmelfahrtskommando?“
„Weder das eine noch das andere. Ihr Auftrag wird vertraglich vereinbart. Wir übernehmen die volle Verantwortung und bestätigen Ihnen, dass wir alle nötigen Genehmigungen für diese der Situation entsprechend außergewöhnliche Aktion vorliegen haben. Und zum Thema Himmelfahrtskommando können Sie mir glauben, Menschen, welche das Medikament nicht rechtzeitig erhalten, sind wesentlich schlechter dran als Sie. Wir haben alle nur erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen für Sie getroffen. Es ist nur so, es geht um sehr viel Geld. Wir brauchen jemand, auf den wir uns 100 % verlassen können. Sie haben einen außerordentlich guten Ruf in ihrer Branche.“
Das stimmte allerdings. Wenn er ein wenig mehr krumme Geschäfte, wie zum Beispiel einen Versicherungsbetrug, gemacht hätte, hätte er sicher seine Firma nicht verloren.
„Ich kann mir die Verträge ja mal ansehen“, sagte Ryman immer noch skeptisch.
Wenig später erhielt er die Verträge als Anhang an eine E-Mail.
Er konnte wirklich keinen Haken an den Verträgen entdecken.
Sie schienen eindeutig zu seinen Gunsten formuliert. Was ihn störte, war der enorme Zeitdruck. Er musste sich noch heute entscheiden.
Andererseits, was hatte er in seiner Branche nicht schon alles erlebt. Es war wirklich nicht ungewöhnlich, dass er nachts herausgeklingelt wurde, um irgend einen Gauguin vom Flughafen zu einem Sammler zu transportieren. Hierfür hatte er einen speziellen Geldtransporter.
Ryman unterschrieb den Vertrag. Er nahm den Rest des Tages frei und machte ausführliche Einkäufe in New York.
Mann konnte ja nie wissen.
Insbesondere Wasser, Dosennahrung und was er sonst auch für einen längeren Urlaub eingekauft hätte kaufte er und deponierte es in seinem Lager.
Er musste hierfür durch den Zoll, da ja sein Lager im Zollbereich lag.
„Eigenbedarf?“, der Zollbeamte wirkte skeptisch.
„Ständige Überstunden!“, stöhnte Ryman.
Der Zollbeamte nickte mitleidig.

Der versperrte Weg – Kanifinolhu, Malediven – 11. Juli 2011, Kapitel 36, Teil II

Shaona war schon ganz aufgeregt. Seit 4 Jahren hatte sie ihre Eltern nicht mehr gesehen. Vor 4 Jahren hatte sie ihnen einen Flug nach Friedrichshafen bezahlt. Obwohl sich ihre Eltern sehr gefreut hatten, sie zu sehen hatte Shaona gemerkt, wie schwer es ihnen gefallen war, in der fremden Umgebung zurecht zu kommen.
Vorher waren sie über Male nicht hinausgekommen. Der 12 Stunden Flug gingen über ihre Vorstellungen.
Umso mehr freute sich Shaona jetzt ihren Eltern Joan vorzustellen. Ein Urlaub auf Kanifinolhu würde ihnen bestimmt gefallen.

Um ihre Eltern nicht zu irritieren hatten sie auf den Flug mit dem Wasserflugzeug verzichtet und sich einen Gleiter mit 2 x 100 PS Motoren gemietet, um ihre Eltern abzuholen.
Das war der pure Luxus. Der Gleiter hatte sogar eine voll ausgestattete Kajüte.

Nach mehreren Stunden Fahrt näherten sie sich endlich der Insel Dhunikolhu.
„Siehst Du da, die Stelzenhäuser? Es ist alles noch wie früher“, rief Shaona begeistert.

Auf einmal bog ein Schnellboot um die Insel. Seitlich stand in großen Buchstaben IH. Shaona wusste, dass dies das Zeichen von International Human, den Käufern der Insel, war.
Vorne auf dem Bug war ein Maschinengewehr montiert.
„Können die nicht aufpassen? Wenn die so weitermachen, rammen die uns noch“, rief Joan.
Kurz vor einem Zusammenstoß stoppte das Schnellboot auf.
„Drehen Sie sofort ab, diese Insel ist Privatgebiet“, kam über das Megafon herüber. Ein Mann besetzte das Maschinengewehr.
„Das kann doch gar nicht sein. Ich habe gestern noch mit meinen Eltern telefoniert. Die hätten doch was gesagt, wenn es Probleme mit dem Abholen gäbe“, Shaona sackte in sich zusammen. Erst die Vorfreude auf das Wiedersehen und nun schien man sie gewaltsam von ihren Eltern fernhalten wollen.
„Das ist bestimmt ein Missverständnis. Die müssen mit uns reden“, sagte Joan. Er nahm das Funkgerät und probiert alle Frequenzen durch. Aber weder jemand auf der Insel noch auf dem Schnellboot antwortete.
Da machte Joan der Besatzung auf dem Schnellboot Handzeichen, dass er längsseits kommen wollte, um zu reden.
Sofort fing das Maschinengewehr an zu rattern. Die Salve ging haarscharf vor dem Bug des Gleiters im Wasser nieder.

Joan bekam Angst und drehte ab. Am Abend wieder auf Kanifinolhu angekommen, versuchte Shaona sofort, ihre Eltern anzurufen, sie bekam kein Freizeichen. Sie rief weitere Telefonnummern auf Dhunikolhu an. Alle Leitungen waren tot.
Das einzige, was ihr noch einfiel, war Brigitte eine SMS zu schicken: „Irgend etwas stimmt bei Eltern nicht. Von Boot von Landung abgehalten. Keine Telefonverbindung. Was soll ich tun?“

Vor Panik hatte Shaona ganz vergessen, ihre Achtcard ins Handy einzulegen. Wie empfohlen bewahrte sie die Karte diebstahlsicher vom Handy getrennt in ihrem Portmonee auf.

Stundenlang fixierte Shaona ihr Handy und wartete auf eine Antwort von Brigitte, die doch immer weiter wusste.

Aber Brigitte antwortete nicht.

Urlaubsplanung – Friedrichshafen – Juni 2011, Kapitel 35, Teil II

Endlich fühlte sie sich hier zu Hause. Shaona war glücklich.
Das Telefon klingelte.
„Shaona Magu“.
„Hallo Shaona, schalte mal das Bild an“.
Sie schaltete die Kamera des Bildtelefons an und sah Brigitte sich in einem roten Sommerkleid drehend. „Wie gefällt Dir das?“
Brigitte war in der ganzen Zeit ihre einzige wirkliche Freundin in Deutschland gewesen. Schade nur, dass sie sich so selten sahen. Oft verbrachte sie den Urlaub bei den Frederichs.
„Das Kleid steht Dir wirklich“, nach einer Pause: „Brigitte, bis Du glücklich?“
„Nach all den Jahren ist der Lack schon ein wenig ab. Aber ja, ich glaube ich bin glücklich mit Ole.“
„Ich bin sehr glücklich mit Joan. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass man so glücklich sein kann.“
„Bringst Du ihn in Deinem Sommerurlaub mit?“
„Brigitte, ist es schlimm, wenn ich im Juli nicht zu Euch komme. Du weißt doch, ich habe seit Jahren vor mir hergeschoben, meine Eltern zu besuchen. Erst musste ich mich einarbeiten und dann ist Dhunikolhu verkauft worden. Ich habe früher immer davon geträumt, einmal als Tourist zurückzukehren und im besten Bungalow zu übernachten. Einen ganzen Urlaub in dem Apartment meiner Eltern zu übernachten, konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Jetzt, jetzt möchte ich mit Joan.“
„Du möchtest mit Joan bei Deinen Eltern übernachten?“
„Nein, natürlich nicht. Ich möchte mit Joan auf einer 5 Sterne Insel 3 Wochen Urlaub machen. Meine Eltern möchte ich die letzte Woche einladen.“
„Das freut mich für Dich. Aber im nächsten Urlaub stellst Du mir Deinen Joan vor. Versprochen?“
„Versprochen.”

Die Single – Friedrichshafen – Januar 2011, Kapitel 34, Teil II

Shaona Magu saß an ihrem modernen Arbeitsplatz mit Blick über den Bodensee.
Der Nebel hing heute tief und ließ alles um sie herum irreal erscheinen.
Sie machte einen guten Job und wurde von allen bei FINDERS sehr geschätzt.
Trotzdem war sie nie richtig hier angekommen.
An solchen Tagen sehnte sie sich nach dem immer schönen Wetter, der endlosen Weite der See und dem klaren Wasser mit freiem Blick auf die Korallenriffe und farbigen Fische zum Greifen nah.

In welchem Luxus man hier lebte und wie wenig man diesen zu schätzen wusste. Sicherlich Luxus hatte sie auf Dhunikolhu gesehen. Aber da waren alle guter Laune. Shaona hatte Urlaubsstimmung mit Dankbarkeit für den eigenen Wohlstand verwechselt.
Im Alltagstrott war alles anders. Shaona wusste, dass FINDERS ein Arbeitgeber mit sehr gutem Arbeitsklima war.
Aber hinter der oberflächlichen Freundlichkeit ihrer Kollegen entdeckte sie oft Desinteresse für die Mitmenschen. Neid auf ihre eigene schnelle Kariere war das einzige echte Gefühl, welches sie manchmal eindeutig identifizieren konnte.
Sie tat wirklich viel, um eine echte Deutsche zu werden.
In der Altstadt hatte sie sich ein Apartment mit schöner großer Terrasse gemietet.
Die Einrichtung war hell und schlicht. Zwei Zimmerpalmen erinnerten an die Malediven.
Sie hatte lange mit sich gekämpft. Schließlich hatte sie sich ein großes Aquarium mit Fischen ihrer Heimat angeschafft.

Aus der jungen Shaona war inzwischen eine attraktive Frau geworden. Männer waren nicht ihr Problem.
Allerdings merkte sie schnell, dass viele sich damit schmücken wollten, sie als Exotin erobert zu haben. Einen echten Freund hatte sie bisher nicht gefunden.

Als Shaona nach der Arbeit nach Hause ging, war der Nebel von der Dunkelheit abgelöst worden. Nun fing es auch noch an zu schneien.
Shaona zog sich die Kapuze ihrer warmen Winterjacke so weit übers Gesicht, wie es ging. Hatte sie sich wirklich früher nach Schnee gesehnt?
Schon oft war sie bei ihrem Heimweg am Internetcafe E-Contacts vorbeigekommen. Sie wusste von ihren Kollegen, dass dies ein Singletreff der besonderen Art war.
Nie hatte sie so etwas gemacht, hier würde sie sicher nicht ihre große Liebe finden. Aber sie wollte heute nicht alleine vor dem Fernseher sitzen, der schon längst aufgehört hatte, für sie das Tor zur Welt zu sein.
Das Lokal war nicht so schummrig, wie sie es sich vorgestellt hatte. Der große Raum war mit Stufen in verschiedene Ebenen aufgeteilt. Jede Ebene war in ein anderes Licht getaucht. So gab es hell erleuchtete Bereiche und die dunklen Bereiche für die Schüchternen.
Shaona hatte über Onlinekontaktbörsen schon die eine oder andere Kurzzeitbeziehung gefunden. Sie hatte sich Mühe gegeben, eine möglichst genaue Beschreibung ihrer Person und ihrer Wünsche dem Profil der Kategorie „Freundschaften“ zu hinterlegen.
Aber irgendwie führte die Möglichkeit, online aus Hunderten von anderen Frauen zu selektieren, immer dazu, Männer zu ihr zu führen, die Malediven in die Profilsuche eingegeben hatten. Etwas machte sie wohl falsch.

Sie setzte sich in eine der dunkelsten Ecken, welche mit einem dunklen Blau beleuchtet war. Shaona steckte die Profilseite ihrer Karte in den Achtcard-Leser ihres Sitzes.
Darauf leuchtete an ihrem Sitz die Nummer 88 in Grün auf.
Ihr Blick viel auf die dunkelgrüne Zone ca. 5 Tische weiter.
Ein Computer hatte einen zu ihrem Profil passenden Partner gefunden.
An einem Tisch in der dunkelgrünen Zone saß ein Mann mit einem kleinen Bauch. Er mochte 165 groß sein, also etwas größer als Sie selbst. Sein Lächeln fand sie nett.
Er schien schüchtern zu sein. Erst als sie ihn zu sich winkte kam er zu ihr.
„Ich bin Joan Ramon aus Andalusien. Darf ich mich zu Ihnen setzen?“
Ihr gefiel alles an ihm. Seine Unbeholfenheit, sein altmodischer Charme und seine großen starken Hände.
Sie hatten vieles gemeinsam. Genau wie sie, kam er aus einer einfachen Welt. Er hatte hart gearbeitet, um studieren zu können und war nun als Diplom Ingenieur im Friedrichshafener Wasserwerk angestellt.

Sie konnten gar nicht aufhören sich ihr Leben zu erzählen und auch ein bisschen über die Deutschen zu lästern. Um drei Uhr morgens wurden sie vom Wirt, der endlich nach Hause wollte, rausgeschmissen.
„Willst Du noch auf einen Tee zu mir hoch?“ Shaona war über die eigene Forschheit überraschte. Online vereinbarte Dates hatte sie nie am ersten Abend so weit kommen lassen.
„Heute noch nicht. Darf ich Dich morgen Abend zum Essen abholen?“, sagte er und gab ihr einen dicken Kuss.
„Um neun?“, fragte sie mit einem Schmollmund. So einen Korb hatte sie noch nie bekommen.
„Bis neun dann“, Joan wandte sich zum Gehen, drehte sich wieder um und küsste Shaona noch einmal leidenschaftlich. Dann schob er sie sanft von sich und ging schnell ohne sich noch einmal umzusehen.

Am nächsten Abend gab es kein Halten mehr.
Direkt nach dem Essen beschlossen beide wortlos, sich direkt in Shaonas Wohnung zu begeben.
Hier liebten sie sich ausgiebig. Anschließend lag Shaona noch viele Stunden wach und betrachtete die maledivischen Fische im schwach erleuchteten Aquarium.
Joan schlief tief und träumte von den andalusischen Weiten.

Enteignung der Autoren ist nur der erste Schritt

von Olaf Berberich, getTIME.net GmbH
Jede Woche erscheint nun ein Kapitel aus meinem Buch „7/11: Insiderstory des Wandels in Deutschland“ in diesem Blog.
Natürlich hatte ich das Interesse, meine Bücher auch zu verkaufen und habe deshalb nicht alle Inhalte auf einmal ins Internet gestellt.

Es war schon ein seltsames Gefühl, als ich die „German Edition“ von meinem Buch – es ist nur in Deutsch erschienen – letzte Woche bei einem amerikanischen Buchversender gefunden habe mit einem Link zu dem komplett von Google eingescannten Buch.
Schauen wir mal, wann eine automatisch – und damit weitgehend falsch – übersetzte „English Edition“ von meinem Buch im Web zu finden ist.

Nicht wirklich beeindruckt hat mich der Hinweis, dass das Copyright geschützt sei.
Natürlich wusste ich, dass Google in den USA vor Gericht einen Vergleich geschlossen hatte, der dies legitimiert, der jetzt alle Autoren betrifft, ohne dass diese sich wehren können.
Dies ist nur der erste Schritt. Wenn demnächst Suchmaschinen mit neuer Technologie wie angekündigt Ergebnisse zu Antworten so zusammenfassen, dass man die einzelnen Seiten als Urheber dieser Antworten nicht mehr besuchen muss, dann wird hier die Enteignung geistigen Eigentums im Internet konsequent fortgesetzt.

Viele User finden diese Dienste gut. Sie sollten sich jedoch vergegenwärtigen, dass jede Qualität ihren Preis hat. Nur wer Geld mit hochwertiger Arbeit verdient oder zumindest User auf seine eigene Seite führt, wird diese auch erbringen.
Bereits jetzt ist der Trend zur Verflachung von Informationen im Internet unübersehbar.
Wenn Informationen ihren Wert verlieren, werden die User spätestens dann auch selbst Geld verlieren, wenn die Qualität von Informationen einfach schlechter wird.
Wer möchte schon ungenaue Meldungen zur Wirtschaft, zu neuen Technologien oder zu Gesundheitsfragen erhalten?

In der Wissensgesellschaft gilt der alte Satz: „Wissen ist Macht“ mehr denn je.
Fast alle Bereiche werden heute komplexer. Spezial-Contentanbieter sollten endlich auch online in die Wertschöpfungskette integriert werden. Derzeit geschieht das Gegenteil zum Gewinnvorteil einiger weniger Internetunternehmen.
Hier gilt wohl der neue Satz: „Automatisch erstelltes Wissen ist Entmachtung“.

Ich jedenfalls werde kein Buch mehr veröffentlichen. Im Blog kann ich wenigstens noch bestimmen, wann ich eine Information online zugänglich mache und bekomme User auf mein Portal.

Rückblick auf das Jahr 2010, Kapitel 33, Teil II

Kritiker beschuldigten Gooday, das Ende des amerikanischen Traums „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ eingeläutet zu haben. Durch das den Geldgebern mitgeteilte Risikoranking hatten Existenzgründer fast keine Chance mehr, an Risikokapital zu kommen. Der Risikorank korrelierte mit der Höhe der Zinsen. Existenzgründer mussten Zinsen von 20 % und mehr zahlen, während große Händler – gleichzeitig große Werbekunden der Gooday Suchmaschine – einen guten Risikorank und Zinskonditionen von 5 % erhielten. Vielfalt wurde durch gerankte Massenware ersetzt. Die USA rutschte auf dem weltweiten Innovationsindex von einem der ersten Plätze ganz nach hinten.
Die einzige Ausnahme bildeten Unternehmen, welche durch den internen Gooday-Rank als innovativ eingestuft wurden. An diesen beteiligte sich Gooday-Invest. Benötigte man zusätzliches Kapital, sprach Googay entweder seine VIP-Geldgeber oder seine VIP-Unternehmer direkt an. Schließlich wusste Gooday genau, wer Geld hatte.
Im März hatte es für Aufregung gesorgt, als Gooday das erste Touristikportal anbot, in das Hotels und Anbieter von Touren weltweit direkt ihre Angebote einstellen konnten.
Wenige Monate später wurde ein Flugportal aufgebaut, in dem alle Fluglinien weltweit über eine Flugsuchmaschine gebucht werden konnten.
Auch kaufte Gooday die marktführenden Spieleanbieter.
Dann folgte ein weltweites Automarktportal, in dem insbesondere gebrauchte Autos der Industrieländer in ärmere Länder verkauft wurden.
Gooday und DHL als Teil des FINDERS-Konsortiums lieferten sich einen gnadenlosen Kampf, um die weltweit in die Insolvenz gehenden Logistikunternehmen. 2010 war der Weltmarkt weitgehend unter den beiden Playern aufgeteilt. Die globalen Lieferketten funktionierten wieder einwandfrei.
Firmen, welche direkt in Asien produzierten und nur online anboten, hatten Hochkonjunktur. Diese Firmen unterboten mit unglaublich günstigen Preisen alle Konkurrenten. Sie erreichten so meist in unglaublicher Geschwindigkeit ein Gooday-Rank von über 6.

In der im englischen Sprachraum mit 90 % Marktanteil dominierenden Suchmaschine Gooday fand man bei entsprechender Suchanfrage weder die Information, wie viele Firmen je Branche zu den Gewinnern gehörten, noch, ob Gooday Anteile an diesen Firmen hielt.
Der Börsenwert von Ebay sackte auf ein Allzeittief.
Im Neugeschäft musste Ebay gerade bei den margenstärksten Produkten erhebliche Einbußen hinnehmen. Nach einem Führungswechsel besann sich Ebay wieder auf sein Ursprungsgeschäft und versteigerte nur noch Antiquitäten, Kunst und Sammlerartikel. Hierfür kaufte Ebay viele Auktionshäuser wie z.B. Christie’s und Sotheby’s aus der noch immer gefüllten Kriegskasse.
Die neuen IPv6-Adressen wurden zum Standard und jedem Gerät wurde eine feste IP-Adresse zugeordnet. Auch wurde ab sofort jedes Telefon, jedes Radio und jeder Fernseher mit eigener IP-Adresse ausgeliefert. Später sollten alle Geräte – auch z.B. Kühlschränke – nur noch mit eigener IP-Adresse ausgeliefert werden