Im Rahmen der Corona-Krise wurde die Innovationsprämie beim Kauf eines reinen E-Fahrzeugs von der Bundesregierung verdoppelt. Somit wird das E-Auto der Treiber für den Ausbau der Stromnetze. Die damit verbundenen Herausforderungen an die Stromnetze sind enorm. Nicht nur die Strommenge, die das Netz transportieren muss, steigt extrem an, sondern auch die Volatilität, also Schwankungen, die im Stromnetz durch nicht immer gleichmäßig verfügbare erneuerbare Energien entstehen.
Wir Europäer erhalten unseren Strom aus einem europäischen Verbundsystem. Dieses wiederum ist mit anderen Verbundsystemen vernetzt. Es zeichnet sich ab, dass die Corona-Krise Europa härter trifft, als erwartet. Keiner kann bisher voraussagen, welche Verwerfungen in Folge von Corona noch auf uns zu kommen. Möglich scheint, dass in einzelnen Regionen Qualitätsstandards nicht mehr eingehalten werden oder das Geld für notwendige Instandhaltungen der Strominfrastrukturen fehlen wird. Ebenfalls nicht auszuschließen ist, dass die Personaldecke an Hotspots so dünn wird, dass hier ein sicherer Betrieb eines Netzes nicht mehr möglich ist. Jedes Sicherheitskonzept ist auf eine bestimmte Maximalbelastung ausgelegt. Der schnelle Ausbau der Elektromobilität ist bereits jetzt für die Aufrechterhaltung der Sicherheit des Stromnetzes eine erhebliche Herausforderung. Corona könnte zur im Sicherheitskonzept ausgelassenen Variable werden, Teile des Stromnetzes könnten zusammenbrechen.
Wir müssen uns auf eine neue dezentrale Strategie konzentrieren, in der der Strom weitgehend da, wo er gebraucht wird, auch erzeugt wird.
Seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit Konzepten für einen dezentralen Lastausgleich. Erste Ideen habe ich in einem Objekt umgesetzt. Im Sommer geht hier eine Klimaanlage nur an, wenn überschüssige Sonnenenergie vorhanden ist. Wolken genau wird die Klimaanlage an und abgeschaltet. Auch mit Aufheizen der Wände über Infrarotheizkörper mit Überschussenergie habe ich experimentiert. Über ein dezentrales, virtuelles, Nutzer gesteuertes Kraftwerk könnte Strom gebündelt am Strommarkt eingekauft werden. Bei allen Optimierungen benötigt man zusätzlich einen Stromspeicher für die Nacht und die Tage, an denen regenerative Stromquellen fehlen.
In diesem Zusammenhang habe ich mich mit einem Wärmemotor beschäftigt, der auf Basis von Schichtspeicherwärme zu einer beliebigen Zeit Strom erzeugen kann, nicht zu verwechseln mit einem Stirling-Motor, der den Nachteil hat, nur dann effizient zu sein, wenn der darunter arbeitende Kessel gleichzeitig Wärme produziert. Hersteller von Schichtspeichern waren von dem Konzept angetan, sahen aber keine Möglichkeit der Vermarktung, weil die Handwerkerstrukturen Innovationen gegenüber nicht aufgeschlossen sind. Warum soll sich ein Handwerker, der sich vor Aufträgen wegen der Förderung nach dem Gießkannenprinzip nicht retten kann, mit etwas Neuem auseinandersetzen. Handwerker sind heute froh, wenn die wenigen Facharbeiter, welche sie bekommen können, ein Minimalportfolio beherrschen. Schwierig wird es zudem, wenn von einem Produkt mehrere Gewerke betroffen sind. Bei diesem Konzept ist sowohl ein Heizungsinstallateur als auch ein Elektriker nötig.
Mit den derzeitigen Förderinstrumenten sind wir in keiner Weise in der Lage, eine Energiewende herbeizuführen. Aber auch an unseren Umsetzungsstrukturen vor Ort muss sich einiges ändern.
Wir brauchen Abrechenbarkeit, sichere Infrastrukturen und die richtigen Anreizsysteme.
Eine dezentrale Abrechnung muss Schnittstellen zu dem zentralen Stromsystem besitzen. Der zentral über Kraftwerke einzuspeisende Strom muss planbar sein. Das ist technisch lösbar, indem dezentrale Einheiten in virtuellen Kraftwerken gebündelt, ihre Ist- und Sollzuständen an das zentrale Stromnetz melden. Was fehlt, ist eine eindeutige Identität eines jeden Verbrauchers, ohne die Anonymität eines Kunden aufheben zu müssen. Die bisher beschrittenen Wege der Smart-Meter, der Übermittlung personenbezogener Daten oder Zugriffsrechte über IPv6 auf möglichst jeden Stromverbraucher haben sich richtigerweise aus Sicherheits- und Datenschutzaspekten nicht durchgesetzt.
Ein alternatives Konzept bietet das EU-D-S, in dem jeder EU Bürger einzeln identifizierbar ist, ohne dass seine personenbezogenen Daten über das Internet aufgerufen werden können. Das Konzept des EU-D-S habe ich aktuell im Rahmen eines Drafts für einen EU Marshallplan an die EU Kommission übermittelt. Hintergrundinformationen hierzu finden Sie unter http://gisad.eu/statements/.
Technisch wäre es auch in diesem Konzept möglich, dass alle Stromverbraucher permanent über das Internet erreichbar wären. Davon rate ich jedoch aus Sicherheitsgründen ab. In Corona Zeiten steigt auch die Cyberkriminalität exponentiell an. Besser ist es, wenn nur unidirektional Minimalinformationen, wie ein Alarm, von Stromverbrauchern über das Internet gesendet werden. Der Objektverantwortliche muss über jede dieser Transaktionen informiert werden. Ein Angriff auf die Geräte über das Internet ist so weitgehend ausgeschlossen. Auch ein solches Verfahren habe ich entwickelt und setze es erfolgreich in einem Objekt ein.
Was jetzt noch fehlt, sind die Anreizsysteme für einen Strukturwandel bei den Anbietern, siehe http://gisad.eu/wp-content/uploads/2020/09/Klimaschutz-durch-Innovation.pdf . Gut gemeinte Regierungsanreize bleiben wirkungslos, wenn mit ihnen kein echter Strukturwandel erreicht wird. Hersteller müssen sich davon verabschieden, in regelmäßigen Innovationszyklen neue Geräte herauszubringen, welche zwar einen guten „Produkt Carbon Footprint“ im Labor aufweisen, aber vernachlässigen, dass sie sich dem Vergleich mit Altgeräten stellen müssen, bei denen bereits als Sowieso-CO²-Aufwände Herstellung, Gewinnung, Transport der Rohstoffe, Vorprodukte, Produktion und Distribution angefallen sind. Wenn man mit neuen Systemen mehr verdient, besteht überhaupt kein Interesse, modulare, zukunftsoffene und somit umweltfreundliche Systeme zu entwickeln.
Lange habe ich gezögert, den Wechselrichter einer erst 2016 installierten PV-Anlage auszutauschen. Das damalige Gerät eines europäischen Herstellers war noch nicht zum Anschluss an eine Notstrombox vorgesehen. Diese wurde mir jedoch bei meiner in Coronazeiten negativen Einschätzung der Stabilität des Stromnetzes wichtig. Wie wohl viele andere, habe ich für die Versorgungssicherheit meine Umweltbedenken hintenangestellt und eine Batterie des chinesischen Marktführers zusammen mit einem neuen Wechselrichter des vorhandenen Herstellers gekauft. Geärgert haben mich die schon monopolartigen Strukturen. Alternativ wurde mir nur von anderen Handwerkern ein Batteriesystem mit Permanent-Internetvernetzung und Anschluss an eine Batteriecommunity angeboten. Hiermit hätte ich die durch mein eigenes System erkämpfte IT-Sicherheit aufgeben müssen.
Absurd wird es dann, wenn das neue Gerät des gleichen Herstellers nicht einmal die Funktionalität des alten Geräts aufweist. In meinem System schalte ich eine Klimaanlage mit einer dezentralen Intelligenz, die an einen Ertragszähler für die PV-Anlage und einen Verbrauchszähler für den Objektstromverbrauch angeschlossen ist. Erst wenn über einen Schwellwert mehr Strom erzeugt wird, als verbraucht wird, schaltet sich im Sommer die Klimaanlage an. Der im Oktober 2020 installierte neue Wechselrichter liefert jetzt dem Stromzähler meines Systems nur noch den durch die Batterieeinspeisung ergänzten Stromertrag. Solange die Batterie nicht leer ist, wird auch dann ein PV-Ertrag angezeigt, wenn in Wirklichkeit die Batterie entleert wird. Nach Angabe des Handwerkers müsste ich jetzt eine neue API JSON Schnittstelle zu meinem System schaffen. Die Integration der vorhandenen Zähler war jedoch Vertragsbestandteil. Hier ist der Handwerker genau wie ich Opfer einer falschen Herstellerphilosophie geworden.
Wir brauchen technische Standards, die eine möglichst große Vielfalt der Integration vorhandener Installationen zulassen. Diese Standards müssen durch die richtigen Anreizsysteme unterstützt werden. Die meisten Kunden wären bereit, den Hersteller an ihrem Effizienzgewinn zu beteiligen, wenn es denn einen gibt. In den letzten Jahren habe ich mir die unterschiedlichsten Systeme anbieten lassen, um die Energiebilanz des Objektes zu erhöhen. Bei einer realistischen Betrachtung aller Konsequenzen gab es bei den meisten mir angebotenen Systemen für viel Geld sogar Negativeffekte, wenn man bei den bereits vorhandenen Systemen entstandenen Sowieso-Kosten abzieht.
In Corona-Zeiten die Innovationsprämie zu verdoppeln, ist ein Pflaster für die Autoindustrie. Es hilft aber der Umwelt in einer Situation, in denen wegen zunehmendem Homeoffice weniger gefahren wird, nicht weiter. Jede zentral mit Einzelmaßnahmen gesteuerte Umweltpolitik ist zum Scheitern verurteilt. Die richtigen Anreize fördern Vielfalt und unterstützen die Integration aller Systeme – auch soweit möglich im Bestand – in ein dezentrales, von den Verbrauchern getriebenes Umweltkonzept. Hierdurch fällt dann auch die derzeitige Überlastung der Handwerker weg. Da Aufträge weniger Material intensiv sind, reduziert sich sogar ihr unternehmerisches Vorleistungs-Risiko.