Dr. Friedrich Jägermeister leitete den Untersuchungsausschuss zur Abhöraffäre Kaminski. Ihn nervten die unendlich langweiligen technischen Vorträge über Verschlüsselungstechnologien, Trojaner, Würmer, welche er sich in den letzten Wochen permanent anhören musste. Alles war diese Assbach schuld. Schließlich war sie einfach ohne Rücksprache mit dem Innenministerium an die Presse gegangen und hatte von einem Abhörskandal geredet. Wenigstens war sie klug genug gewesen, keine Einzelheiten preis zugeben. Nun sollte also heute der Fall Kaminski unter Ausschluss der Öffentlichkeit geregelt werden. Dass gerade Kaminski in die Falle tappen musste. War doch allen bekannt, dass er immer andere die Suppe auslöffeln ließ. Nun galt Kaminski als Netzbeschmutzer. Schließlich hatte doch jeder das ein oder andere Mal seine Macht missbraucht. Aber wenn Jägermeister das richtig sah, hatte Kaminski von den meisten Datenschutzverletzungen nicht einmal profitiert.
Jeder im Ausschuss kannte einen Supercardbesitzer, den man dazu bewegen konnte, über den einen oder anderen Informationen zu sammeln. Alle Ausschussmitglieder hatten jetzt große Angst, dass auch ihre kleinen Unregelmäßigkeiten auffliegen würden. Schließlich ließ sich nicht vermeiden, dass die Sache Kaminski bei Angela Merkel landete ausgerechnet zum Zeitpunkt ihrer Europapräsidentschaft. Angela Merkel hatte die Sachen an den parlamentarischen Untersuchungsausschuss einerseits und eine interne Aufklärungskommission andererseits weitergegeben.
„Lückenlose Aufklärung unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ hieß die Anweisung. Langsam weitete sich der Skandal aus. Frau Assbach arbeitete eng mit der Aufklärungskommission zusammen. Alle Supercardzugriffe wurden nun ausgewertet. Aufgrund der Zugriffe wurden Rückschlüsse auf die Beeinflussung von Entscheidungen der Politik gezogen. Nur hinter vorgehaltener Hand gab man zu, dass wohl die eine oder andere Abstimmung ohne Datenmissbrauch anders gelaufen wäre.
Schließlich war eine Pressekonferenz nötig gewesen, in der man zugab, dass es Unregelmäßigkeiten beim Datenschutz gegeben hatte. Allerdings so toll wie der Kaminski hatte es wohl keiner getrieben. Da die Abgeordneten im Gegensatz zu Kaminski keine Supercard besaßen, waren ihnen Verstöße schwerer nachweisbar. Herr Kaminski betrat den Raum. Er war die Ruhe in Person wie immer, setzte sich auf seinen Platz und tippte etwas in seinen Laptop.
„Er wird doch nicht schon wieder… “ Der Vorsitzende erstarrte. Sicher, Jägermeister saß auf diesem Stuhl, weil er Schriftliches immer vermieden hatte. Aber jeder ließ sich von dieser Kaminski Geste einschüchtern. Gab es etwa ein heimliches Audioband über seine Absprachen? In den nächsten 4 Stunden beantwortete Kaminski die im Kreuzfeuer gestellten Fragen mit immer gleichbleibender Gleichgültigkeit. Selten setzte er dem „Ja“ oder „Nein“ noch etwas hinzu. Manchmal hielt er eine Frage nicht der Beantwortung wert und wendete sich statt zu antworten wieder seinem Laptop zu. Sicher, er hatte keine Supercard mehr, aber eindeutiger als mit dieser Geste hätte Kaminski es nicht sagen können: „Ich kenne alle eure Geheimnisse, wenn ihr mich aufliegen lasst…“
Die Öffentlichkeit erfuhr nur, dass Kaminski wohl aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war. In den gleichen Nachrichten wurde eine neue Gesetzesvorlage angekündigt. Hiernach waren ab sofort Supercardabfragen nur noch mit der Erlaubnis durch Richter zulässig. Wurde nicht innerhalb von 6 Monaten nach der Abfrage von der Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, musste dem Abgehörten die Abhöraktion mitgeteilt werden. Wurde Anklage erhoben, mussten in der Anklageschrift alle Supercardabfragen über die jeweilige Person aufgeführt werden.